1593, Die Kapelle in Lemmie

Der Gehrdener Pastor Glasenapp (1910 – 1984) beschrieb im Jahre 1964 die Kapelle in Lemmie.


Die Kapellen in unseren Dörfern erscheinen klein und unbedeutend. Man geht oder fährt an ihnen vorüber, sie sind ja keine großen Kirchen oder prächtigen Dome. Und doch hängt an ihnen eine lange Geschichte, die mit dem Dorf verbunden ist. Manchmal finden wir in ihnen kleine Kunstwerke, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Generationen von Bauern und Landarbeitern haben hier den Trost des Glaubens, die Vergebung der Sünden und die Hoffnung des ewigen Lebens gefunden.


Gewiss hat an der Stelle der jetzigen Kapelle einmal ein Bauwerk aus dem Mittelalter gestanden. Vielleicht ist sie baufällig geworden oder im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden. Die Kapelle in ihrer heutigen Gestalt stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Die Fachwerkkapellen sind in unserer niedersächsischen Heimat selten geworden. So hat man die Kapelle unter Denkmalschutz gestellt. Es war schon ein schwerwiegendes Problem, ob man die Kapelle nicht abreißen und an anderer Stelle größer aufstellen soll. Nachdem die Entscheidung gefallen ist, dass die Kapelle an der bisherigen Stelle bleiben soll, freuen wir uns, dass wir sie nun in neuem, frischem Gewande wiedersehen werden.


300 Jahre hat sie der Lemmier Gemeinde gedient und wird es auch weiterhin tun. Hier hat der Lehrer die Betstunden und die Kinderlehre gehalten. Hier hat der Pastor manches Paar aus dem Dorfe getraut und Kinder getauft. Hier haben die Gemeindemitglieder zweimal im Jahr das Heilige Abendmahl empfangen. Nach dem letzten Krieg wurden regelmäßig von den Pastoren Gottesdienste gehalten, und die Christen haben Glauben und den Trost Gottes empfangen.


Ein kostbares Stück ist das Altarbild. Justus Wilhelm Lyra, der Komponist des Mailiedes, später Pastor in Gehrden, hat mitgeteilt, dass bei der Renovierung der Kapelle im Jahre 1879 eine Inschrift an dem Altaraufsatz gefunden wurde.

„Im Jahre des Herrn 1468 ist diese Tafel im Spotholtensen vollendet gerade am Michaelistage durch mich, Dietrich Miersheber“.

Die Art der Schnitzkunst lässt ebenfalls darauf schließen, dass die Figuren aus dem Mittelalter stammen. Es handelt sich um eine Darstellung von fünf Personen. In der Mitte steht Maria mit dem Jesuskind. Die Deutung der anderen Figuren ist ungewiss, weil die charakteristischen Zeichen verloren gegangen sind. Die Gestalten zur Rechten der Maria sind reicher, die Figuren zur Linken ärmlicher gekleidet. Neben Maria stehen zwei Frauengestalten, zwei Männer flankieren die Gruppe. Die äußerste Figur links stellt einen Bischof im prächtigen Amtsgewande dar. In der Hand trägt er eine Palme, das bedeutet, dass er den Märtyrertod um seines Glaubens willen erlitten hat. Weitere Attribute finden sich nicht, so müssen wir auf weitere Identifizierung verzichten. Die Frauengestalt daneben könnte Katharina sein, bei der sich die Attribute Krone und Schwert finden. Katharina ist eine Fürstentochter und wurde um 300 in Alexandria in Ägypten nach grausamen Martern mit dem Schwert hingerichtet. Die Frau rechts neben Maria könnte Maria Magdalena sein. Die Figur rechts außen stellt einen Mann im Mönchsgewande dar. Er ist alt und trägt einen langen Bart. Man könnte an Benedikt von Nursia denken, der im 6. Jahrhundert lebte und den Benediktinerorden gegründet hat. Er trägt ein Buch in der Hand, das wohl die Klosterregel darstellt, die dem klösterlichen Leben der Mönche bis heute verbindlich ist.


Wir freuen uns, dass dieses Werk die Stürme der Zeiten überdauert hat. Jetzt wird der Altaraufsatz von Frau Christa Dieselhorst in Hannover restauriert. Die Lemmier freuen sich auf das Wiedersehen mit dem Altarbild in neuem Gewande. Im Jahre 1881 haben die Tischler ein Podest für den Altar gearbeitet, auf das sie die Worte schrieben: „Gott segne einen jeden, der hier niederkniet.“


Die Glocke der Kapelle ist 1652 von Ludolf Siegfried in Hannover gegossen worden. Jahrhundertelang ist der Glöcknerdienst von Menschen ausgeübt worden. Man läutete täglich zur Mette, Vesper und zum Mittag. Seit 1964 wurde dieser Dienst einer elektrischen Anlage übertragen.


Das Harmonium ist ein sichtbarer und klanglicher Dank von zwei Gemeindemitgliedern, die heil und gesund nach den Strapazen des ersten Weltkrieges nach Lemmie zurückgekehrt sind. Die Familien Friedrich Wissel (Landwirt) und Hermann Garben (Gast- und Landwirt) haben das Instrument gestiftet.

Durch Kriegseinwirkungen 1943 war die Kapelle beschädigt und auch das Harmonium hatte gelitten.

Durch besondere Bemühungen des verstorbenen Kreiskantors Gottfried Piper und der Spendenbereitschaft der Lemmier Bürger konnte 1973 das Harmonium durch eine kleine Orgel der Firma Eule in Bautzen ersetzt werden.

Die Kapelle wurde von 1964 bis 1966 renoviert.


Nachtrag von W.H. v. Ditfurth

In den Jahren 1982 bis 1987 wurde die Kapelle erneut renoviert. Dabei wurde auch die neue Uhr angeschafft. Die alte Uhr steht im Heimatmuseum der Stadt Gehrden.

In dieser Zeit wurden auch die ältesten Kapellenrechnungen im Archiv der Kirche in Gehrden entdeckt, sie stammen aus den Jahren 1593 bis 1604 (K.R.I.a.1). Dort ist auch von einer Glocke zu lesen.

Wie Pastor Glasenapp zu Recht vermutet, hat es also vor 1652 schon eine Kapelle mit Glocke gegeben. (W.-H. v. Ditfurth)

Lemmie gehört zur Kirchengemeinde Gehrden.


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