Im September 2012 machten meine Frau und ich eine Woche Urlaub in Binz auf Rügen. Wir waren schon mal auf Rügen gewesen – damals, im Jahr 1990 gleich nach der Wende. Nun wollten wir Erinnerungen auffrischen, einfach schauen, was sich so alles verändert hat. Und um es gleich vorweg zu sagen: Rügen ist noch schöner geworden. Die gepflegten Straßen, die weiß gestrichenen Häuser im Stil der Bäderarchitektur, die vielen neuen Hotels. Wirklich eindrucksvoll, was durch den Aufbau Ost wieder bzw. neu entstanden ist.
Wir wohnten in einer schönen Ferienwohnung nicht weit vom Strand in Binz entfernt. Spaziergänge auf der Uferpromenade waren angesagt, ganz klar. Der Blick ging dabei weit über die Ostsee bis zu den berühmten Kreidefelsen hinter Saßnitz. Ja und dann geschah es: Plötzlich standen wir vor Undine, einem wunderschönen alten Holzhaus. Das war meiner Frau und mir bei unserem ersten Besuch in den 90ern gar nicht aufgefallen. Aber jetzt strahlte es in neuem Glanz und zog die Blicke auf sich.
Am nächsten Tag fuhren wir mit unserem Auto nach Sellin. Gut, Binz hat auch eine Seebrücke, aber die von Sellin ist doch um ein Vielfaches eindrucksvoller – nicht zuletzt, weil sie vor einem Steilufer liegt und erst durch eine große Freitreppe zu erreichen ist. Der Parkplatz liegt etwas vom Ufer entfernt – der Weg führte uns deshalb noch durch die Wilhelmstraße, um ganz nah an den Strand zu kommen. Und da passierte es zum zweiten Mal: Wieder standen wir verdutzt vor einem schicken Holzhaus. „Villa Finja“ war auf einem Schild zu lesen. „Nordisches Blockhaus im finnischen Stil, 1905 gebaut. Besonders beachtenswert sind die verzierten Holzkonstruktionen in allen Giebelbereichen.“ Und jetzt war der Groschen endgültig gefallen!
„Haben wir nicht auch in Gehrden solch ein hübsches Holzhaus mit vielen Verzierungen, die irgendwie an die nordische Architektur erinnern? Wenn wir wieder zu Hause sind, müssen wir uns das Haus am Fuße des Burgberges unbedingt genauer ansehen!“ ---
Und das haben wir dann auch getan.
Was zunächst nur Vermutung war, stellte sich bald als richtig heraus. Bei unserem Gehrdener Haus handelt es sich in der Tat um ein nordisches (norwegisches) Blockhaus. Und auch dieses Haus mit einem Drachen oben drauf ist um 1900 entstanden.
Dieter Mahlert
Inhalt:
Das Nordische Drachenhaus in Gehrden
Dank an Familie Fiedeler
Das Nordische Drachenhaus am Burgberg:
Impressionen,
Baubeschreibung,
Ornamentik
Der Drache
Thor -- der Gewitter- und Wettergott als Beschützer von Midgard
Die Entstehung des Drachenstils - Holm Hansen Munthe, Conrad Wilhelm Hase, Kaiser Wilhelm II.
Eingangstür mit Schnitzwerk auf der Rückseite des Hauses
Swastika -- Das Hakenkreuz als Glücksbringer
Odin / Wotan
Die Entstehung des Drachenstils
Entstehung des Drachenstils unter Holm Hansen Munthe
Erste Phase des Drachenstils
Wer baute die Holzhäuser am Burgberg?
Im Jahre 1905 kaufte der Unternehmer Hermann Bartling aus Grasdorf das Gelände am Burgberg vom Gehrdener Landwirt Friedrich Reverey. Bartling wollte hier für sich und seine Familie ein aus Holz gefertigtes Wochenend- bzw. Ferienhaus im Norwegischen Stil errichten lassen. Dieser Stil war in Deutschland gerade sehr beliebt – denn Kaiser Wilhelm II., der mit seiner Yacht Hohenzollern häufig und gern nach Norwegen fuhr, mochte diese Art zu bauen (s.o.).
Bartling suchte einen passenden Architekten und fand ihn in dem Hannoveraner Brandes (Vorname unbekannt).
So entstanden die beiden Blockhäuser am Burgberg: in das vordere Haus mit dem Drachen auf dem Giebel zog der Architekt selber ein, in das dahinterliegende Holzhaus mit den beiden Pferdeköpfen (genannt Villa Waldfrieden) zog Familie Bartling.
Die verkehrliche Anbindung an Hannover war damals schon gut, denn die Straßenbahnlinie 10 war bereits 1898 fertiggestellt worden. Bis 1917 fuhr sie – zumindest an den Wochenenden – in einer Nebenlinie auch den Berg hinauf bis zum Gasthaus Niedersachsen.
-----------
Bild unten
Die beiden Holzhäuser (Baujahr 1905) waren die einzigen Gebäude am Osthang des Burgberges.