Benther-Berg-Terrassen (Erichs Ruh)
Von Walther Heine und Rainer Piesch
2015
Inhalt:
1. Die Benther-Berg-Terrassen
2. Am Anfang ein Getränkestand (Hans Erich Wilhelm)
3. Gartenlokale und ihre Bedeutung um 1900
4. Illustriertes Wanderbuch durch die Provinz Hannover
5. Eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1952
6. Die Ortsgrenze auf der Herdplatte
7. Mensurfechten (DER SPIEGEL von 1951)
8. Am Bentherberge
9. Die „Benther-Berg-Terrassen“ im Wandel der Zeit (Erich Schmidbauer)
10. Kulinarische Nachlese
11. Kindheitserinnerungen (Ralph Hartmann)
12. Das Ende
13. Die Benther-Berg-Terrassen im zeitlichen Überblick
14. Die Geschichte vom Milchkännchen (Wilhelm Kulke)
15. Spurensuche heute
Wir danke den Benther Heimatfreunden Wilhelm Kulke und Horst Bohne für die erhaltenen Informationen und die geführten guten Gespräche.
1. Die Benther-Berg-Terrassen
haben eine wechselvolle und spannende Geschichte hinter sich. Johannes Georg Ernst Rehbock eröffnete am Rande des Benther Berges beim kleinen Dorf Benthe auf dem Gemeindegebiet von Lenthe (heute Stadt Gehrden) einen Getränkestand. Aus diesem entwickelte sich später das bekannte und beliebte Ausflugslokal. Insbesondere aus den westlichen Stadtteilen pilgerten Heerscharen Hannoveraner am Wochenende zu der Waldwirtschaft, um hier gemütlich Kaffee zu trinken oder abends zur Musik von Kapellen zu tanzen.
Heute erinnern nur noch ein paar Ruinen an diese ehemals lebhafte und erfolgreiche Gaststätte. Im Jahr 1975 brannte das Lokal vollständig aus.
Diese kleine Dokumentation soll ein paar Erinnerungen wecken, enthält bisher unveröffentlichte Berichte und geht solch spannenden Fragen nach, warum beispielsweise die Ortsgrenze über die Herdplatte der Küche führte.
2. Am Anfang ein Getränkestand,
später Restaurant BENTHER BERG TERRASSEN
von Hans-Erich Wilhelm aus: Bertram, Otto; Hermann Deiters und Hans-Erich Wilhelm: Beiträge zur Chronik des Dorfes Benthe. Ronnenberg 1990
Joh. Georg Ernst Rehbocks Getränkestand im Walde am früheren Picknickplatz der hannoverschen Fürstengesellschaft fand bei Wanderern und Spaziergängern großen Zuspruch, zumal es die erste und einzige Möglichkeit war, auf dem Benther Berg Getränke zu erhalten.
Rehbock, gelernter Stellmacher, wohnte nach seiner Heirat im Jahre 1860 mit Sophie Emilie Schmedes, geb. Reinecke, und seiner Familie noch 16 Jahre im Hause des Restaurants WILLKOMMEN IM GRÜNEN, Hof Nr. 27. Er vervollständigte1867 den Getränkestand durch eine Veranda. Im Jahre 1879 baute Rehbock ein Wohnhaus mit Gasträumen und Saal und zog mit seiner Familie dort ein. Wie im Pachtvertrag mit Erich Friedrich Ludwig von Lenthe festgelegt, nannte er das Restaurant ERICHS RUH. Um dem ständig steigenden Besucherdrang auch bei schlechtem Wetter und im Winter gerecht werden zu können, vergrößerte Rehbock die Gasträume 1894 um eine große separate Glasveranda.
Gegen die Errichtung einer "Halle" oder eines "Saales" durch Ernst G. Rehbock hat die Gemeinde Benthe sich von Anfang an gewehrt, allerdings erfolglos. Der auf Lenther Gemeindegebiet gebaute "Pavillon" hat wenige Jahre später zu Protesten der Gemeinde, vertreten durch E. von Lüpke, W. Braband, H. Flebbe, W. Basse und H. Schmedes geführt. Sie warfen Rehbock vor, "daß nämlich die ... zweite Wirtschaft, so unmittelbar bei Benthe belegen, den nachhaltigsten moralischen Einfluß auf die Dienerklasse des Dorfes" hätte. Es vergingen kein Sonntagnachmittag und -abend, wo man nicht "bis spät in die Nacht den größten Theil der jungen Leute dort oben am Berge finden" könne. Es würde "dadurch den Höfewirten mancher Ärger resp. Schaden zugefügt". Am 10. Juni 1868 wurde Rehbock ernsthaft verwarnt, und der Gendarm Mohr wurde zur Überwachung angehalten. [HStArch Hann 74 Wennigsen 499]
Zwei Jahre später ließ er für sich die "Villa Rehbock" in der Nähe der Sieben Trappen erbauen. Die Villa verkaufte er 1907 an den Landwirt Mange, heute Hermann-Löns- Straße Nr. 18.
Mit dem Bau der Straßenbahn bis zu den Sieben Trappen im Jahre 1896 wuchs nicht nur der Zustrom der Ausflügler nach Benthe, sondern Benthe erhielt auch elektrischen Strom. Für die umfangreichen Restaurationsbetriebe war das ein bedeutender Fortschritt. Die arbeitsaufwändige und gefährliche Beleuchtung mit Petroleumlampen fand ihr Ende. Viele Gäste sollen anfänglich dem anheimelnden Licht der Petroleumlampen nachgetrauert haben.
Erichsruh
Interessant auch der Spruch, mit dem sich Rehbok an seine Gäste wendet:
„O leset hier und seid nicht böse,
Hört was Ernst Rehbock zu Euch spricht:
Zerschneidet Schinken, Wurst und Käse,
Nur Tische, Thurm und Bänke nicht.“
Zum fünfzigjährigen Bestehen des Betriebes im Jahre 1913 ließ der Sohn und Erbe Christian Rehbock noch ein zweites Haus rückwärtig an die bisherigen Gebäude anbauen. Wie zu ersehen ist, hatte Christian Rehbock zur Jubiläumsfeier eine erlesene Gesellschaft geladen. Zu den Gästen von ERICHS RUH zählten schon damals bekannte Persönlichkeiten. Zu ihnen gehörte unter anderen der Oberbürgermeister Tramm aus Hannover, der Mitbegründer des Dadaismus Kurt Schwitters und der Kommandeur des X. Armeekorps Caprivi.
Die Gaststätte und der Wirt Ernst Rehbock 1909
Unmittelbar am Restaurant gab es keine Parkplätze. Die Besucher konnten die Gaststätte ERICHS RUH nur über zwei Zugänge erreichen. Einer von ihnen war mühsam für die Versorgungsfahrzeuge und einen Kutschwagen zu besonderen Notfällen hergerichtet worden. Trotz Bestehen seit 50 Jahren musste das Wasser für den Betrieb immer noch in Tonnen mit Pferdefuhrwerken nach oben transportiert werden. An Sonn- und Feiertagen waren das für den Landwirt Maage schwere, aber auch lukrative Tage, die Tonnen bei den Sieben Trappen zu füllen und nach oben zu kutschieren. Nur wenig wurde für die Hygiene abgezweigt. Das war das Wasser, welches in den Wasserschüsseln bei dem Haus mit dem bekannten Herzchen bereitstand.
Christian Rehbock hatte in den schweren Kriegsjahren und in der folgenden Inflationszeit vielleicht die Freude an seinem Beruf verloren und verpachtete ERICHS RUH 1925 an den Gastronomen R. Kohl, der den Betrieb gut geführt hat. Kohl ließ noch einmal Bohrungen nach Wasser durchführen, leider auch ohne Erfolg.
Im Jahre 1929 verkaufte Christian Rehbock ERICHS RUH an Hermann Werner, Gastwirt und seit 1914 Pächter des bekannten Restaurants DÖHRENER TURM in Hannover. Hermann Werner, 1877 in Ebeleben in Thüringen geboren, war mit Auguste Schmedes aus Benthe verheiratet. Werner und Ehefrau waren sehr erfolgreich. Außer dem Kauf vom ERICHS RUH für ihren Sohn Ernst hatten die Werners dafür gesorgt, dass die beiden älteren Söhne die stadtbekannten WÜLFELER BIERGÄRTEN und den MOND AM AEGI bewirtschafteten. Der "alte Werner", so nannte man den Vater Hermann Werner, hatte ERICHS RUH für 90.000 Reichsmark erworben.
Gasthaus Chr. Rehbock (Inh. R. Kohl) - Clubzimmer
Trotz wirtschaftlich schlechter Zeit nahm Ernst Werner etliche bauliche Veränderungen vor. So ließ er die 1894 von Ernst Rehbock erbaute Glasveranda, die einer Vergrößerung des Kaffeegartens im Wege stand, abreißen und ersetzte diese durch eine neue, die in Längsrichtung des Grundstückes an der rückwärtigen Grenze in den Wald gebaut wurde. Dadurch konnten die Außensitzplätze, die sich bisher zum größten Teil unterhalb des Restaurants befanden, vor die Veranden in den Wald verlegt werden. Die Sitzplatzzahl weiterte sich wesentlich aus, und der freigewordene Platz konnte zu den Parkplätzen für den sich immer stärker entwickelnden Autoverkehr umgebaut werden. Die Glasveranda erhielt durch einen Tunnel, der von der Spülküche im Keller des Hauptgebäudes ausging, einen Anschluss. Über dem Tunnel wurde eine gläserne, von unten zu beleuchtende Tanzfläche eingerichtet.
Ernst Werner war ein Schlitzohr, wenn sich ihm Schwierigkeiten in der Ausweitung seines Betriebes entgegenstellten. So wird berichtet, dass er den sich reserviert verhaltenden Grundbesitzer zu einem Treffen einlud, um z.B. über die Beseitigung einer großen Anzahl von Tannen zu sprechen, die die Aussicht von der Terrasse ins Land versperrten. Alkoholselig gaben die Gäste ihre Einwilligung. Noch in der Nacht, die Betroffenen hatten kaum das Lokal verlassen, fällten bereitstehende Waldarbeiter die Bäume. Damit fielen auch die Schilder "Hier können Familien Kaffee kochen"; die Zeit war hierfür auch zu Ende.
Im Zweiten Weltkrieg musste das Restaurant ERICHS RUH seine Tore schließen. Die gesamten Räumlichkeiten wurden 1943 als Lazarett eingerichtet. Als die Luftangriffe immer stärker wurden, trieben Bergleute aus dem Empelder Kalischacht einen U-förmigen Tunnel unter den Parkplatz des Restaurants. Dieser diente bei Fliegeralarm als Bunker für die Kranken und das Pflegepersonal des Lazaretts.
Nach dem Ende des Krieges brachen über das Haus böse Stunden herein. Die Soldaten flüchteten aus dem Lazarett, und das ganze wurde von befreiten Zwangsarbeitern aus den östlichen Nachbarländern in Besitz genommen. Im Befreiungstaumel wurden viele Einrichtungsgegenstände zerstört und der Saal durch ein offenes Feuer stark beschädigt. Nach Normalisierung der Lage richtete die englische Militärregierung schließlich ein Kinderheim im Haus ein. Eine große Anzahl durch die Vertreibung im Osten elternlos gewordener Kinder fanden im Heim erste Aufnahme. Viele Schicksale hat das Haus erlebt.
Erst Weihnachten 1948 wurde das Restaurant wieder eröffnet, und sehr bald lief der Ausflugsverkehr wie in alten Zeiten. In den ersten Jahren waren allerdings erschwerte Umstände. Der Erwerb von Getränken, Tabakwaren und Essen litt noch unter den Folgen des Krieges. So wurden Lebensmittel bis Februar 1950 auf Marken zugeteilt, und man musste für ein Menü im Restaurant Lebensmittelmarken abgeben. Alkohol wurde in den ersten Nachkriegsjahren meist in Eigenfabrikation aus Zuckerrüben hergestellt, für Veranstaltungen sogar in Gaststätten und Restaurants mitgenommen. Für Vereinsabende mussten zum Heizen von Klubzimmern verschiedentlich Briketts mitgebracht werden. Die Vergnügungssucht erreichte dennoch ungeahnte Formen; ein Nachholbedarf von sechs Kriegsjahren. Durch die Währungsreform im Jahre 1948 normalisierte sich das Wirtschaftsleben nach und nach. DIE BENTHER BERGTERRASSEN, so nannte sich das Restaurant ERICHS RUH inzwischen, luden am Mittwoch, Sonnabend und Sonntag mit einer Hauskapelle von fünf Musikern zum Tanz ein. Der Andrang von Tanzfreudigen von nah und fern
nahm unvorhergesehene Ausmaße an. Der große Saal hatte Platz für viele Tanzpaare. Bei schönem Wetter tanzte man im Freien, auf der gläsernen, von unten beleuchteten Tanzfläche, die aus den dreißiger Jahren stammte.
Ernst Werner musste immer wieder für die Vermehrung von Sitzplätzen sorgen. Dies führte dazu, dass die BENTHER BERG TERRASSEN im Sommer 1.500 Gästen Sitzgelegenheiten im Freien boten. Im Saal und in den Veranden standen in beheizbaren Räumen nochmals 750 Sitzplätze zur Verfügung. Der derzeitige Geschäftsführer Erich Schmidbauer weiß zu berichten, dass an schönen Sommertagen zirka 250 dreiteilige Mittagsmenüs, 500 Liter Kaffee (nämlich 3.000 Tassen), 2.000 Stücke Kuchen, 2.000 Portionen Speiseeis, 1.200 Gläser Berliner Weiße, 1.000 Flaschen Limonade oder Säfte neben dem Bier, sowie 500 verschiedene kalte und warme Speisen verkauft und serviert wurden. Dies Geschäft bewegte sich in verhältnismäßig wenigen Stunden, nämlich das große Geschäft zwischen 12.00 und 20.00 Uhr. Ein Heer von Küchenbediensteten und Kellnern musste bereitstehen. Bei zu erwartendem schönen Wetter mussten an Sonn- und Feiertagen 1.500 Stühle und die zugehörigen Tische gesäubert und gedeckt werden. Zum Vorbereiten und für das Bedienen der Gäste mussten zum Teil große Wege zurückgelegt werden. Die letzten Tische und Stühle standen an der Grundstücksgrenze zum Übergang nach Everloh. Die Kellnerinnen und Kellner dieses Bereichs wurden daher die "Everloher" genannt. Besonders sie hatten, wie man von Betroffenen hören kann, vom Schleppen der großen Tablette mit schwerem Geschirr abends lahme Arme. Ein Gewitter am Mittag oder unerwarteter Regen machte oft die ganzen Vorkehrungen zunichte oder überflüssig, besonders ärgerlich war es um die Vorbereitungen in der Küche oder am kalten Büfett. Kühleinrichtungen in der heutigen Form gab es noch nicht, lediglich einen Eiskeller. Anfänglich wurde der Eiskeller von den Benther Teichen vollgepackt, und er musste bis zum nächsten Winter die nötige Kälte spenden. In neuerer Zeit bezog man jeweils am Wochenende 20 Stangen Klareis von der Brauerei. Die vorzügliche Küche, die gepflegten Getränke und die stets für gute Stimmung sorgende Hauskapelle garantierten auch an besonderen Festtagen ein volles Haus. Für die Sylvesterfeier buchte man vorsichtshalber gleich ein Jahr im Voraus. Hierbei nahm man in Kauf, dass man eingeengt sitzen musste und beim Essen Schwierigkeiten hatte. Auch für Hochzeiten, Konfirmationen, Firmenjubiläen und Feiern studentischer Verbindungen waren die BENTHER BERG TERRASSEN sehr gefragt. Weltbekannt wurden die BENTHER BERG TERRASSEN über die Messegäste; dieser großzügige Gästekreis brachte in den fünfziger und sechziger Jahren ungeahnte Umsätze.
Im Laufe der Jahre verlagerte sich der Zustrom der Gäste immer mehr von der Straßenbahn auf den privaten Autoverkehr. Die Parkplätze reichten an Sonn- und Feiertagen nicht aus, ein Parkwächter musste für Ordnung sorgen. Die Straßen in Benthe wurden stark belastet, und zwar nicht zur Freude der Benther Gemeindeverwaltung. Denn der größte Teil der aufkommenden Gewerbesteuer floss nach Lenthe und Northen, weil das Gelände des Restaurants zu diesen Gemeinden gehörte. Erst im Jahre 1950 kam das Gelände durch Verhandlungen im Austausch zu Benthe. Lenthe und Northen erhielten weiterhin einen bestimmten Prozentsatz von der Gewerbesteuer als Ausgleich.
Vor dem Krieg wurden hauptsächlich Aushilfskräfte beschäftigt. Die betriebliche und tarifliche Entwicklung veränderten diesen Zustand. So wurden in den fünfziger und sechziger Jahren ungefähr 15 Vollarbeitskräfte gehalten. Die Tariflöhne lagen anfänglich sehr niedrig. Eine Frau beim Abwasch bekam einen Stundenlohn von 0,75 DM, ein Musiker den viel beneideten Satz von 4,00 DM. Eine Tasse Kaffee kostete zu dieser Zeit -,64 DM plus Mehrwertsteuer und Bedienungsgeld. Die wirtschaftliche Anbindung an Benthe war für den Ort von großer Bedeutung, zumal Bäckereien, Fleischer und Gemüsehändler die Lieferanten des Betriebs waren.
Ernst Werner starb im Alter von nur 54 Jahren in dem sich anbahnenden Strukturwandel im Jahre 1960. Ein schwerer Schlag für das Unternehmen, der sich mehr als erwartet in der Zukunft auswirkte. Je mehr Wohlstand in der Bevölkerung wuchs, veränderte sich auch die Verhaltensweise. Die Ansprüche an die Freizeit stiegen, das Fernweh wuchs und fand durch zunehmende Motorisierung seine Verwirklichung. Die strengen Gesetze gegen den Alkoholmissbrauch am Steuer ließen den Verzehr auf ein Minimum absinken, wenn man überhaupt noch zu fröhlichem Tanz nach Benthe fuhr. Hierzu kamen die Auswirkungen durch den Rundfunk und vor allem durch das Fernsehen, die in vieler Hinsicht die Lebensgewohnheiten verändert haben. Die Jugend fand in den althergebrachten Ausflügen und am Tanz keine Freude und wandte sich den modernen Tänzen bei Partys und in den Diskotheken zu. Mit den abnehmenden Besucherzahlen, vielleicht auch durch eine nicht rechtzeitige Einstellung auf die veränderten Verhältnisse stiegen die Kosten im Verhältnis zu den Umsätzen. Da nutzte auch die weit in Calenberger Land ragende Leuchtreklame nichts mehr.
Die einst so zugkräftige Hauskapelle trat alsbald nur noch an Sonn- und Feiertagen auf, da sich ihr Einsatz am Mittwoch nicht mehr lohnte. Diese Entwicklung setzte sich über mehrere Jahre fort. Es war sehr deprimierend, wenn immer mehr weniger Gäste kamen und die großen Räume immer leerer wurden. Nach über hundertjährigem Bestehen wurden die BENTHER BERG TERRASSEN im Jahre 1974 geschlossen, die unglücklicherweise am 27. Dezember 1975 völlig niederbrannten. Die Ruinen sind erst im Jahre 1989 abgebrochen worden.
Nicht nur die Benther bedauerten das Ende des traditionsreichen und für den Ort so bedeutenden Restaurants. Auch viele Hannoveraner und Freunde der Umgebung, insbesondere die Älteren, trauerten der Schließung der BENTHER BERG TERRASSEN nach. Viele unvergessene Stunden hängen daran. Ja, wie man immer wieder hört, hat der Besuch des Restaurants oft Schicksal gespielt, z.B. wenn der Lebenspartner hier gefunden worden ist.
Hier zwei seltene Privatfotos aus dem Jahr 1942, als der Zweite Weltkrieg noch ganz weit weg
3. Gartenlokale und ihre Bedeutung um 1900
Bereits im Mittelalter suchten die Einwohner von Städten bei gutem Wetter Lokalitäten auf, die sich an schönen Orten außerhalb der Stadtmauern befanden. Diese Entwicklung setzte sich fort und im 18. Jahrhundert fanden diese
„Kaffeegärten“ einen rasanten Aufstieg (der Begriff „Biergarten“ war damals noch für Bayern reserviert). Die Regierungen unterstützten diese Einrichtungen, kamen ihnen doch wichtige soziale Funktionen zu. Gartenlokale waren beliebte „Treffpunkte breiter Schichten der Gesellschaft“ und ermöglichten, „soziale Unterschiede zu überwinden“.
Da diese Lokale in den Augen von Regierung und Verwaltung für die Verdichtungsgebiete ein Naherholungsziel darstellten, erlaubten die Schankverordnungen größtenteils Ausnahmen hinsichtlich Einhaltung der Nachtruhe und des Lärmschutzes.
Auch im Bereich des Benther Berges war dieser Trend der Hinwendung zu den genannten Lokalitäten deutlich zu erkennen. Die Einwohner des südlichen Hannover, insbesondere Linden, zog es am Wochenende zum Sommervergnügen aus der Stadt. So entstand, einhergehend mit der Entwicklung von Verkehrsmitteln, die die hannoversche Bevölkerung in großer Zahl ins Umland transportieren konnten, eine Reihe von schönen Gartenlokalen. Hier seien nur „Erichs Ruh“ in Benthe (die späteren Benther Berg Terrassen) und in Gehrden das „Waldschlösschen“ und die Waldgaststätte „Burgberg“ genannt. Dem „Berggasthaus Niedersachsen“ kommt in diesem Zusammenhang noch eine Sonderrolle zu, da die „Überlandwerke und Straßenbahn Hannover AG“ eigens dieses Lokal errichten ließ, um ihre Straßenbahn Linie 10 noch besser auszulasten. Zu diesem Zweck wurde dieses Gartenlokal mit einem eigenen Straßenbahn-Zubringergleis verbunden, das auf einer Nebenstrecke auf den Gehrdener Berg hinaufführte.
Aber auch in Benthe sorgte die legendäre Straßenbahn Linie 10 dafür, dass die Bevölkerung die Benther Berg Terrassen erreiche konnte. Von der Haltestelle
„Sieben Trappen“ war es nur noch ein kleiner Fußmarsch bis zu dieser wunderschön gelegenen Lokalität.
So nahm gerade der Besucheransturm in die Gaststätte zu, in der insgesamt weit über 2.000 Personen Platz fanden.
Die Gartenlokale hatten zudem eine magnetische Wirkung, da ab 1890 Bewegungsspiele und Sportaktivitäten staatlich gefördert wurden. Lawn (Rasen)- Tennisplätze, Radfahr- oder Rollschuhbahnen und Spielwiesen gehörten nun zu vielen „Sommerfrischen“ einfach dazu.
Diese Lokale wurden sogar als „Anstalten zur Massenaufnahme der sonntäglichen Ausflügler“ bezeichnet und konnten bei gutem Wetter den Zustrom der Gäste oft nicht bewerkstelligen. Kindernachmittage gehörten zum Programm und abends wurde zur Musik unter den Bäumen getanzt, teilweise mit bengalischer Beleuchtung. Ein Gaststättenbesucher beschreibt das Treiben in einem dieser Gartenlokale im Gehrdener und Benther Bereich in den Jahren 1921/22 folgendermaßen: „Im Sommer war die Gaststätte Treffpunkt der bäuerlichen Gemeinden, an sich war die Ausflugsstätte ein sogenannter Heiratsmarkt, es klingt etwas wie Verkuppeln, aber so ist es nicht. Auf dem Lande war es so, daß nach der Heuernte ein Treffen stattfand, nicht nur von Bauern, nein, es waren auch andere Gäste am Ort.“
4. Illustriertes Reise- und Wanderbuch durch die Provinz Hannover (ca.1900)
In diesem renommierten und in der damaligen Zeit hochgeachteten „Reise- und Wanderbuch durch die Gebiete von Niedersachsen“ wird auf die Gaststätte Erichs- Ruh ausdrücklich hingewiesen.
Dort ist zu erfahren, dass dieser beliebte Ausflugsort wäre von Hannover aus in 2 bis 2 ½ Stunden zu erreichen sei. Am bequemsten per elektrischer Bahn bis zu den 7 Trappen in Benthe oder aber per Fußweg durch Linden auf der Nenndorfer Chaussee über Bornum und Empelde. Dann geht es etwa 400 Schritt hinter Empelde rechts zwischen Feldern auf das Empelder Gehölz zu, durch dasselbe immer geradeaus auf einem Graswege auf Erichs Ruh zu.
Das Reisebuch ist voll des Lobes über die Gastronomie: „Auf dem Baugrunde der Herren v. Lenthe hat vor vielen Jahren Herr Rehbock unter schönen Buchen und Eichen das unter dem Namen ‚Erichs-Ruh‘ bekannte Gasthaus oberhalb des Dorfes Benthe errichtet. Das Waldhaus mit seiner Terrasse und zahlreichen Sitzplätzen in Grotten und Lauben bietet eine köstliche Aussicht, zu der das Auge sich immer wieder hingezogen fühlt. Über das malerisch zu Füssen gelegene Dorf Benthe hinweg fällt der Blick auf üppige Saatfelder und dunkle Wäldchen. Links steigt der Lindener Berg mit seiner Windmühle und seinem ‚Wasserwerk‘ auf. Dahinter ragen die vier alten Kirchtürme Hannovers mit ihren grünen Kupferdächern hervor. Weiter rechts folgen die Häuserreihen des südlichen Stadtteils. Dahinter verliert sich das Auge in der hier beginnenden norddeutschen Tiefebene. Der helle Turm von Isernhagen, das weisse Wohnhaus des Herrn v. Grävemeyer bei Bemerode und der Kronsberg mit Windmühle gehören zu den hervorragenden Punkten. Die letzteren beiden sind in der Richtung über dem nahen Dorfe Empelde gelegen. Weiter nach rechts steigt die Gegend zur Bergregion auf. In der Ferne, rechts von Ronnenberg, erstrecken sich die Hildesheimer Berge. Links von den drei Pappeln im Benther Gutsgarten zeigt sich im Mittelgrund der Schulenburger Berg, auf dem die Marienburg liegt; links von der nah gelegenen Windmühle im Hintergrunde der erste der sieben Brüder bei Alfeld; rechts von der Mühle zunächst der Lüderser Berg mit Dorf Lüdersen. Dann beginnt sanft vom Steinkruge aufsteigend der Deister, überragt von der Wülfinghäuser Klosterforst, an deren linksseitigen Abhang sich im Hintergrund der Ith schliesst. Links von Ronnenberg erblickt man die Senkung eines weit gelegenen niedrigen Gebirgszuges. Vor ihr liegt Hildesheim; über ihr erhebt sich, nur bei klarer Luft sichtbar, in weiter Ferne der Brocken. 100 Schritt unterhalb „Erichs-Ruh“ das Gasthaus Neuer Benther Berg-Garten; grosse Lokalitäten und Garten, schöne Terrasse mit prächtigem Ausblick auf den Gehrdener Berg, auf das Gehölz des Benther Berges und die meisten eben schon erwähnten Punkte. Sehr genussreich ist eine Promenade von Erichs-Ruh am Rande des Holzes, stellenweise auch durch den Wald führend bis oberhalb der Nenndorfer Chaussee und Erichshof, wo von verschiedenen Ruhebänken aus sich dem Auge ein herrliches Panorama auf das nahe liegende Gehrden mit seinen Hügeln und die Deisterberge bietet.
Auch in einer Anzeige im "Führer durch Hannover" (ca. 1896) wird auf den imposanten Rundblick verwiesen. Ob die Sicht auf 200 Ortschaften der Realität entspricht, können wir nicht mehr überprüfen: Den Aussichtsturm, den Marthaturm, gibt es nicht mehr
„In Benthe ist jetzt wieder alles grün.“
Ein lustiger Frühlingsgesang von Heinz Friedel Heuer Weshalb nur aus dem Dollarland – warum Paris und Wien?
Ein Schlager fürs Hannoverland, weshalb sollt‘ er nicht ziehn? Muß es nun stets ein Rumba sein, ein Fox von Mister Spleen? Wir haben ja auch Wein und Bier!
Viel Berge hoch und schön. – Drum laßt uns heut aus frohen Reih’n ein Lied dem Bentherberge weih’n
(Refrain)
Wenn Fink und Wanderlerch von Wien nach Benthe zieh’n – Dann ist am Benther Berg bestimmt schon alles grün. – Dann wird man jung – ist auf dem Sprung!
Ja, selbst der Opapa, ruft mit Begeisterung:
„Komm, Alte, komm – laß uns ins Freie zieh’n, in Benthe ist jetzt wieder alles grün!“
Benthe, im Wonnemonat Mai.
6. Die Ortsgrenze auf der Herdplatte
Nein, das konnte Herr Rehbock nicht ahnen, als er seinen Saftstand damals im Dreieck der Orte Lenthe, Northen und Benthe aufbaute. Seine kleine Gaststätte wurde angebaut und nach und nach erweitert, hier ein Schuppen, dort noch eine Küche. Und das Ganze sozusagen grenzübergreifend. So kam es, dass die Ortsgrenze von Northen und Lenthe mitten über die Herdplatte verlief. Und es endete im Laufe der Jahrzehnte im Streit. Denn der Umsatz der inzwischen großen Gaststätte wuchs und wuchs. Und damit auch die Steuerabgaben. Aber auch die Besucherzahlen. Die Steuereinnahmen gingen zu einem Großteil nach Lenthe, den Großteil der Lärm-und Staubbelästigung und die Abnutzung der Zufahrtswege hatten jedoch die Benther zu tragen, ohne dass sie eine nennenswerte Gegenleistung dafür bekamen.
Nach jahrzehntelangen Diskussionen und Debatten, auch geführt auf höchster Ebene von den zuständigen Landräten und Oberkreisdirektoren, kam man endlich im Jahre 1950 zu einer Gebietsbereinigung. In dieser fand ein Gebietstausch zwischen den Orten Lenthe, Northen und Benthe statt. Und um den Steuerausfall der Orte Lenthe und Northen zu mildern, wurde eine jährliche Ausgleichszahlung von mehreren Tonnen Roggen vereinbart. So hatte Benthe an Lenthe jedes Jahr 6 t Roggen und in Richtung Northen ca. 2 t zu schicken.
Hier die interessanten Zeitdokumente aus den Jahren 1949 und 1950:
Abschrift eines Schreibens der Landeshauptstadt Hannover
V e r e i n b a r u n g
Der Gemeinden Benthe, Lenthe und Northen über die Bereinigung der Gemeindegrenzen.
Zur Beilegung jahrzehntelanger Grenzstreitigkeiten haben die Gemeinderäte von Benthe (Beschluss vom 2.6.1950), Lenthe (Beschluss vom 2.6.1950) und Northen (Beschluss vom 1.6.1950) einstimmig beschlossen, die in der Anlage zu dieser Vereinbarung erwähnten Grenzänderungen durchzuführen. Es sind demnach umzugemeinden:
I. von Northen
nach Benthe insgesamt
0,5421 ha
II. von Lenthe
nach Benthe insgesamt
0,2931 ha
III. von Lenthe
nach Northen insgesamt
21,9149 ha
IV. von Benthe
nach Lenthe insgesamt
19,1352 ha
V. von Benthe
nach Lenthe insgesamt
18,0795 ha
Da die Gemeinden Lenthe und Northen für den durch die Umgemeindung entstehenden Steuerausfall nur teilweise durch Grundstücksumgemeindungen entschädigt werden, verpflichtet sich die Gemeinde Benthe, an die Gemeinde Lenthe eine jährliche Steuerausfallentschädigung von 6,15 to Roggen und an die Gemeinde Northen eine solche von 1,84 to Roggen effektiv zu entrichten. Die Entschädigungen werden vierteljährlich nachträglich fällig. Die Verpflichtung der Gemeinde Benthe zur Zahlung der Steuerausfall-Entschädigungen ruht, wenn und solange der Gastwirtschaftsbetrieb auf dem jetzigen Werner-schen Grundstück infolge höherer Gewalt, Feuer und wegen anderer Gründe nicht ausgeübt werden sollte. Die Entschädigungen ruhen vom Beginn des auf die Stillegung des Betriebes folgenden Vierteljahres und setzen wieder ein mit Beginn des auf die Wiederinbetriebnahme folgenden Vierteljahres.
Benthe, den 3. Juni 1950 Im Auftrage
des Rates der Gemeinde Benthe
Abschrift eines Schreibens der Landeshauptstadt Hannover
Landkreis Hannover Hannover, den 7. Oktober 1949 Der Oberkreisdirektor
Abt. IX
Betrifft: Bereinigung der Grenzen zwischen den Gemeinden Lenthe, Benthe und Northen
Als vor Jahrzehnten der Vorgänger des Gastwirts Werner auf dem Grundstück, wo die Gemarkungen Lenthe, Northen und Benthe sich berühren, eine Schankbude errichtete, konnte er gewiß nicht ahnen, welche Entwicklung diese Schankstätte einmal nehmen würde und welche Schwierigkeiten sich aus der Tatsache ergeben würden, daß der Schankbetrieb sich in 3 Gemarkungen abspielt. Die ständige Erweiterung des Betriebes durch An- und Umbauten sowie durch Neubauten erfolgte unbeschadet der Gemeindegrenzen, so daß beispielsweise die Grenze Nothen/Lenthe durch die Küche verläuft.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß dem früheren Eigentümer des Grundstücks, Herrn von Lenthe, beim Verkauf des Grundstücks vor etwa 15 Jahren ohne sein Zutun erheblicher Gewinn zugeflossen ist. Gewiß wäre es gerechtfertigt gewesen, wenn ein Teil des Kauferlöses dazu verwendet worden wäre, um eine bessere Zuwegung zu dem Lokal zu schaffen. Allerdings bestand keine rechtliche Handhabe, Herrn von Lenthe zur Bereitstellung eines größeren Betrages für Wegebauzwecke zu zwingen. Dem jetzigen Besitzer ist verschiedentlich der Vorwurf gemacht worden, daß ihm die Wegeverhältnisse bekannt gewesen seien und er infolgedessen das Grundstück nicht hätte kaufen sollen. Dieser Vorwurf erscheint unberechtigt, weil zweifellos bei einem Verzicht des Herrn Werner jemand anders das Grundstück gekauft hätte.
Seit länger als 20 Jahren bemühen sich die jeweiligen Landräte bezw. Oberkreisdirektoren des Landkreises Hannover vergeblich, eine Grenzbereinigung und in Verbindung damit eine bessere Zuwegung zu schaffen. In steuerlicher Hinsicht kam etwa im Jahre 1928 eine Verständigung dahin zustande, daß die Gewerbesteuer und die Vergnügungssteuer (ursprünglich auch noch die Biersteuer) auf die Gemeinden Lenthe, Northen und Benthe nach dem Verhältnis von 7:3:2 zu verteilen sind. Diese Regelung bringt aber keine Besserung in den Zufahrtswegen. Die Gemeinden Lenthe und Northen sind weder bereit noch in der Lage, eine Zufahrt herzustellen. Die Gemeinde Benthe hat seit Jahrzehnten die durch den Kraftwagenverkehr usw. bedingten Nachteile (Abnutzung der Gemeindestraßen, Staubplage) hinnehmen müssen, ohne daß ihr auf der andern Seite nennenswerte Vorteile aus dem Betrieb erwachsen sind. Die Schaffung einer vorschriftsmäßigen Zufahrt kann nur über und durch die Gemeinde Benthe erfolgen. Es ist verständlich, daß die Gemeinde Benthe immer wieder die Forderung auf Umgemeindung des Wernerschen Grundstücks in die Gemeinde Benthe erhebt.
Die Dorfstraße vom Kreuzweg bis zur Abzweigung zu den Berglokalen ist infolge des starken Kraftwagenverkehrs in einem derart schlechten Zustande, daß ihre gründliche Instandsetzung unaufschiebbar ist. Der Gemeinderat von Benthe hat beschlossen, den Ausbau sofort vorzunehmen und den Kreis um die Gewährung
eines angemessenen Zuschusses zu bitten. In den nun eingeleiteten Verhandlungen haben die Kreisverwaltung und das Straßenbauamt den Standpunkt vertreten, daß über kurz oder lang doch eine Verbindungstraße zwischen Benthe und der Landstraße Badenstedt-Lenthe geschaffen werden müsse und daher zu erwägen sei, ob nicht in Verlängerung der bisherigen Kreisstraße (die bis zum Kreuzweg in Benthe geht) die Gemeindestraße bis zur Abzweigung zu den Berglokalen als Landstraße II.O. auszubauen und vom Kreise zu übernehmen ist. Wenn die Kreisverwaltung sich zu einem solchen Entgegenkommen entschließen sollte, würde sie damit die Grenzbereinigung und die Schaffung einer ordnungsgemäßen Zufahrt zu dem Berglokal fördern. Die Baukosten für die Gemeindestraße vom Kreuzweg bis zur Abzweigung zu den Berglokalen betragen etwa 15.000 DM. Wenn der Kreis diese Kosten übernimmt, müßte die Gemeinde Benthe verpflichtet werden, unter entsprechender Heranziehung des Gastwirts Werner und unter Erwirkung der Grundförderung vom Arbeitsamt die Straße von der Eiche bis zum Lokal Werner vorschriftsmäßig auszubauen. Die Gesamtkosten des Straßenbaues vom Kreuzweg bis zum Lokal W. sind auf 35.000 DM veranschlagt worden. Der Besitzer Werner hat sich zur Zahlung eines Zuschusses von 5.000 DM bereit erklärt. Werner wies darauf hin, daß er zur Schaffung klarer Eigentums- und Nutzungsverhältnisse gezwungen sei, den sogen. „Grünen Brink“ von den Benther Interessenten für etwa 11-12.000 DM zu erwerben. Diese Tatsache mache es ihm unmöglich, zu den Baukosten einen höheren Zuschuß als 5.000 DM zu zahlen.
Für den Fall, daß der Landkreis Hannover, die Gemeinde Benthe und der Eigentümer Werner sich in der vorstehend geschilderten Weise über den Ausbau der Straße einigen sollten, müßte von den Gemeinden Lenthe und Northen erwartet werden, daß sie sich zu einer Grenzbereinigung entschließen, damit endlich die Schwierigkeiten, welche sich aus der Zugehörigkeit des Wernerschen Grundstücks zu 3 Gemarkungen ergeben, behoben werden. In den bisherigen Verhandlungen zeigte sich bei den Vertretern von Lenthe und Northen eine gewisse Verständigungsbereitschaft, wobei von den Vertretern dieser Gemeinden darauf hingewiesen wurde, daß eine finanzielle Benachteiligung ihrer Gemeinden nach Möglichkeit vermieden werden müsse. Die Kreisverwaltung schlägt den Gemeinden vor, sich auf nachstehender Basis über die Grenzbereinigung zu verständigen:
1. Das Grundstück des Lokals Werner wird in vollem Umfange der Gemeinde Benthe zugeteilt.
2. Aus der Gemeinde Benthe wird die westlich der Landstraße Lenthe- Badenstedt gelegene Enklave in Größe von 19,17 ha in die Gemeinde Lenthe umgemeindet.
Die Gemeinde Lenthe erhält ferner von Benthe die Forstparzelle 13/11, Eigentümer: Buresch, und in Verbindung damit einige kleinere Parzellen, die im Eigentum der Realgemeinde Benthe stehen, in der Gesamtgröße von 18,0795 ha.
Die Gemeinde Benthe zahlt unter wertbeständiger Sicherung eine jährliche Entschädigung für Steuerausfall von 1.500 DM.
3. Die Gemeinde Lenthe gibt an die Gemeinde Northen die Forstparzellen 3 und 38/1 (Eigentümer: v.Clausbruch und v.Lenthe) in der Gesamtgröße von 21,9149 ha ab.
Die Gemeinde Benthe zahlt an die Gemeinde Northen eine jährliche Entschädigung für Steuerausfall von 400 DM ebenfalls unter wertbeständiger Sicherung.
Der vorstehende Vorschlag bemüht sich, den Interessen aller Gemeinden gerecht zu werden. Die Gemeinden Lenthe und Northen müssen in Betracht ziehen, daß ihnen bei Annahme des Vorschlags künftig bestimmte Einnahmen ohne Gegenleistung zufließen. Sie nehmen zwar keinen Anteil an einem etwaigen Geschäftsaufschwung des Lokals Werner, allerdings bleiben sie auch von einem Geschäftsrückgang unberührt.
Die Gemeinde Benthe geht bei der Annahme des Vorschlags ein gewisses Risiko ein, weil sie so oder so zur Zahlung der vereinbarten Beträge an die Gemeinden Lenthe und Northen verpflichtet ist.
Das Risiko liegt auf beiden Seiten; es sollte aber im Interesse einer Bereinigung der Angelegenheit eingegangen werden.
gez. Stoppat gez. Meier
Oberkreisdirektor Kreisoberinspektor
Farbgemälde der Anlage der Benther-Berg-Terrassen.
Der Name des Künstlers ist durch den Brandschaden am Bild nicht mehr ermittelbar. Das Gemälde wurde nach dem Brand von 1975 aus der Ruine der Benther-Berg-Terrassen gerettet.
Ein interessanter Artikel findet sich im Magazin DER SPIEGEL aus dem Jahre 1951. Er berichtet über einen Vorfall im „Benther-Berg-Gasthaus“, in der Nähe der Benther-Berg-Terrassen und beschreibt ausdrucksstark den damaligen Zeitgeist. Das ehemalige „Benther-Berg-Gasthaus“ ist heute das „Hotel Benther Berg“. Studentenkorporationen hatten einen sehr großen Stellenwert, und studentische Verbindungsfeiern waren in dieser Zeit, im Gegensatz zu heute, eine häufige Veranstaltungsart.
7. Spiegel 25/1951 MENSUR-FECHTEN
Richten Sie alles her
Beharrlich deutet Zahnarzt Dr. Hermann Addicks, Alter Herr der wiederauflebenden Studentenkorporation "Normannia", in Hannover auf eine kleine rote Schmarre oberhalb seiner rechten grauen Augenbraue: "Nicht die jungen Studenten haben im Saal des Benther- Berg-Gasthauses gefochten, sondern wir Alten Herren, wir wollten der Jugend einmal zeigen, wie man eine Quart und eine Prim schlägt."
Alt-Normanne Addicks behauptet nicht, daß er mit 70 Jahren selbst noch Quarten und Terzen gepaukt habe. Die stehen in parallelen Streifen seit 50 Jahren auf seiner linken Backenhälfte verewigt, schnurgerade wie der Koppeldraht auf einer oldenburgischen Kuhweide Aber andere Alte Herren, jünger als Alt-Normanne Hermann Addicks, hätten noch kräftig gepaukt, "natürlich mit Drahtmaske und allen zu Gebote stehenden Schutzvorrichtungen des Sportfechtens, wie es das gegenwärtige Gesetz befiehlt." Dabei sei ein Stück zersprungener Klinge just an seine Augenbraue geflogen, sagt Hermann Addicks. Das sind die zahmen Alt-Herren-Xenien, die Hannovers Kriminalpolizei nicht glauben will, seit am 9. Juni Kripo-Obermeister Hirchert in Empelde, 12 km westlich von Niedersachsens Hauptstadt, plötzlich telefonisch alarmiert wurde: "Im Berggasthaus in Benthe kloppen sich die Studenten mit Säbeln im Saal."
Da hängte sich Kripo-Hirchert gleich an den Draht nach Hannover, um Verstärkung anzufordern. Um 11.13 Uhr präzise umkreiste das Polizeiaufgebot den improvisierten Paukboden in Benthe. Alle Ein- und Ausgänge des Berggasthauses wurden besetzt, 60 Angehörige der Studentenverbindungen der Tierärztlichen und der Technischen Hochschule aus Hannover aufgeschrieben, Schläger und Paukwichs beschlagnahmt.
So der magere Polizeibericht.
Jetzt soll die Staatsanwaltschaft klären, ob in Benthe ein eklatanter Verstoß gegen die alliierte Kontrollratsdirektive begangen wurde, die auch in der inzwischen gemilderten Form - das Sportfechten wurde erlaubt - noch das scharfe Mensurfechten unter Strafe stellt.
Das kann Sophie Müller, Besitzerin des Berggasthauses in Benthe, wo vor 20 Jahren noch Verbindungsstudenten fleißig Salamander rieben, nicht begreifen. In ihrer Maienblüte war Mensurfechten selbstverständlich. "Auch meine Brüder waren echte Paukbrüder. Mich würde auch heute niemand davon abhalten, zu fechten, wenn ich ein Mann wäre."
Für den Wirt, der bis vor kurzem Sophie Müllers Gasthaus in Pacht hatte, bedeutete der Studenten- und Alt-Herren-Besuch ein willkommenes Geschäft. Alt- Normanne Zahnarzt Dr. Addicks hatte ihm 14 Tage vor dem schwarzen Pauktag in Benthe angerufen - "im Auftrag von vier Studentenverbindungen von Hannover". Man wolle in Benthe Vorlesungen halten, anschließend gemütliches Beisammensein. Um 16 Uhr würden die Damen nachkommen und dann ab 18 Uhr
Ball bis morgens früh. Voraussetzung: Saal und alle Gaststättenräume müßten ausschließlich den Korporationen zur Verfügung gestellt werden. Pächter Küchemann sagte zu. Alt-Normanne Addicks versicherte, rechtzeitig Hals zu geben, sobald der genaue Termin der "Vorlesung" feststehe, mindestens 96 Stunden vorher.
"Es war 48 Stunden zuvor", berichtet ehemaliger Pächter Küchemann. Dr. Addicks avisierte ihm seine Bundesbrüder: "Wir kommen am Sonnabend um 7 Uhr. Richten Sie alles her." Pächter Küchemann deckte sich mit Lebensmitteln und Getränken ein und rieb sich die Hände.
Nach Ablauf des akademischen Viertels erschienen dann auch am 9. Juni die Gäste: 70 Alte Herren und 22 junge Studenten. Erst Imbiß und Frühschoppen, dann Silentium: "Wir wollen ungestört sein. Wir sind eine geschlossene Gesellschaft. Unsere Vorlesung darf nicht beeinträchtigt werden."
Darauf wurden die Saaltüren fest verschlossen, auch der Kellner durfte den Saal nicht mehr betreten. Eingeweihte Späher eilten an Dorfein- und -ausgang und besetzten die Terrasse vor der Restaurationstür. Ein Eimer voll Sägespäne wurde mitten aufs Parkett gekippt. Drei Stunden blieb die geschlossene Korporationsgesellschaft unter sich. Die Pächterin brutzelte das bestellte Mittagessen und hörte nicht das leise Klirren und Scheppern im Saal.
Aber ein Nachbar muß sich wohl darum gekümmert haben. Benthes Berggasthaus, während des Krieges Asyl für 350 jugoslawische Fremdarbeiter, die im totalen Kriegseinsatz Zündhütchen herstellten, beherbergt heute in den angrenzenden Baracken 50 Flüchtlingsfamilien. Hier stoßen sich die sozialen Probleme im engen Raum. Sie stießen sich offensichtlich auch am laut gesungenen Gaudeamus igitur der fröhlichen Zecher, an den bunten Stürmern der Normannen und wurden zum Zündhütchen, als das Fechten begann.
Jedenfalls war plötzlich die Polizei da. Im selben Augenblick aber auch Emil Schmidtke, Flüchtling aus Königsberg, der solange im Garten von Hausbesitzerin Sophie Müller Unkraut gejätet hatte. Er widerlegte handgreiflich die These, daß studentische Farben, Paukwichs und Mensur generell zum Klassenhaß aufreizen.
Glatzkopf Schmidke im grünen Jägerhemd schleppte schnell die verräterischen Schläger, Paukbrillen, Armstulpen und Herzbleche vom Paukboden, noch bevor die Polizisten umständlich das Haus umzingelt hatten. Schmidtke steckte die Paukrequisiten in einen großen Waschkessel im Keller und legte einen schweren Deckel drauf. Zur selben Zeit kugelte auch Matrone Müller wie ein Wiesel ins Parterre, um Altherren, Burschen und Füchse in den Keller zu zerren.
Dort saß bald eine ganze Korona bechernd beisammen, Glatzkopf Schmidtke, mit Trinkgeldern dotiert, mitten in der Runde, während die Polizei oben im Saal nur noch die beiden hemdsärmeligen Paukärzte mit Gummischürze und ausgelegten Instrumentarien und einen schüchtern in die Ecke verdrückten jungen Fechtbruder als subversiv einvernahm. Was nicht mehr den rettenden Kellereingang erreicht hatte, sang harmlos:
"O, alte Burschenherrlichkeit, wohin bist du entschwunden." Prüfend überflog der mitgekommene Polizeiarzt, Medizinalrat der Polizei Dr. Gerhard Gross, selbst mit Schmissen reich bedeckt, die gelassenen Säbelkisten der alten Herren und die ängstlichen Milchgesichter der Füchse. Bis ein Karnickel gefunden war: ein junger Student mit einer Kompresse um die Stirn. Darunter eine Blessur, angeblich Folge eines Verkehrsunfalles. "Was sicherlich stimmt, wenn man darunter den studentischen Verkehr mit Schlägern versteht", lächelte Kripo-Obermeister Hirchert.
Aber mehr Blut wurde trotz strenger Kontrolle nicht gesichtet. Das unter die Polizeilupe genommene Gerinnsel auf einem Tisch in der Gaststube wurde nach peinlicher Analyse als Schokoladenbrei erkannt. Der Blessierte und ein Kommilitone in Paukwichs wurde vorübergehend sistiert, und die wenigen noch im Saal aufgefundenen Schläger und Requisiten wurden beschlagnahmt. Das Gros der Waffen im Kochkessel entdeckte die Polizei nicht.
Aber immerhin: der Schliff der sichergestellten Schläger - unten stumpf, oben scharf - sei Indizienbeweis genug für eine in Benthe gepaukte verbotene scharfe Mensur, folgerte die Kriminalpolizei scharfsinnig. Die Alten Herren verweigerten beharrlich die Aussage: "Was wir zu sagen haben, sagen wir nur dem Richter".
Vor den Juristen des Amtsgerichts hoffen sie mehr Verständnis für den Johannistrieb an ihrem akademischen Lebensbaum zu finden als bei den ehemaligen Volksschülern der Landkreispolizei. Bisher fanden sie jedoch bei den Rektoraten der hannoverschen Hochschulen und beim niedersächsischen Kultusministerium, das schützend die Hand über die akademische Gemeinschaftsordnung hält, nur sehr wenig Verständnis. Prorektor Professor Deckert, zur Zeit stellvertretende Magnifizenz der Technischen Hochschule, bezichtigt sie ganz offen der Jugendverführung.
Der schlanke, hagere Architektur-Professor konstruiert aus dem Benther Vorfall gleich ein ganzes ideologisches Gebäude: "Mensurfechten und Farbentragen sind Relikte einer Aera, die längst vergessen sein sollte. Nicht das Fechten an sich ist verwerflich, sondern das Brimborium der Alten Herren, die den feudalistischen Geist des schlagenden Corps wiederbeleben wollen. In den ersten Nachkriegsjahren hätte keiner der Studierenden für Farben oder Mensur das geringste Interesse aufgebracht. Sie hatten alle als Soldaten genug gekriegt vom Dekorieren und Schlagen.
"Jetzt aber kommt die Generation in die Hörsäle, die bei Kriegsschluß noch Pimpf war. Die will nun, von den Alten Herren verführt, ihr Alt-Heidelberg-Erlebnis haben.
Viele lassen sich von den ehemaligen Corpsstudenten für Farben und Mensur begeistern, zumal der Geldbeutel dahinter steckt."
Es seien jedoch nur 5 Prozent der TH-Studenten Mitglieder der als simple Studenten
- Vereinigungen zugelassenen ehemaligen Landsmannschaften und Corps. Vor der Zulassung mußten sie ihre Satzungen den Rektoraten vorlegen. Striktes Gebot: keine Farben, keine Mensur. Wenn die Staatsanwaltschaft demnächst die Liste der in Benthe überrumpelten. Satzungsbrecher offenlege, müßten die Disziplinarausschüsse der Hochschulen dann zusammentreten und die kriminalpolizeilich festgestellten Studenten relegieren.
"Die meisten Studenten haben auch ganz andere Sorgen", sagt Prof. Deckert. "Aber es zeigt sich leider kein Fünkchen einer neuen Idee, die das studentische Gemeinschaftsleben aktivieren könnte." Früher seien die Studenten Fackelträger gewesen, heute vielfach nur Schlußlichter, vor allem im Hinblick auf das immer wieder übertretene Verbot des Farbentragens.
Zur Zeit hat nur das Kultusministerium von Rheinland-Pfalz das öffentliche Zeigen der Farben toleriert. Sonst gilt in ganz Westdeutschland das erst kürzlich wieder auf der Heidelberger Rektorenkonferenz erneuerte Verbot: "Wir wünschen um des Friedens und der Hochschule willen die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens.
Farbentragen und Mensurenfechten kann nur eine neue Spaltung innerhalb der Studierenden herbeiführen. Außerdem ist dieser alte studentische Brauch geeignet, eine neue Kluft zwischen den Studenten und den Arbeiterkreisen aufzureißen." (Prof. Gerhard Hess, Vorsitzender der westdeutschen Rektorenkonferenz auf der Immatrikulationsfeier in der Universität Heidelberg.)
"Wenn es nur ganz alte Semester gewesen wären, Jahrgang 1890 und älter", lotet Regierungsdirektor Dr. Müller, Leiter der Abteilung Wissenschaft im Niedersächsischen Kultusministerium, mit pastoraler Würde die Studentenverfehlungen von Benthe. Dr. Müller, zeitweilig Gemeindepastor, stellte fest, "daß auch Angehörige der mittleren Jahrgänge bis 1910 unter den Anstiftern waren. "Und das stimmt mich bedenklich." Farben und Mensur seien Symbole der politischen und geistigen Restaurierung. Das rieche nach Feudalismus und Standesdünkel.
Die Alt-Normannen machten kein Hehl aus ihrer Gesinnung. "Die ist keineswegs unsozial, reaktionär oder feudalistisch"", klopft Tierarzt Dr. Arthur Flemming - Alter Herr und Vorsitzender der hannoverschen "Normannia" - an das rechte Revers seines abgetragenen Anzuges. Nuda veritas sei vielmehr, daß auch mittellose Flüchtlingssöhne und Werkstudenten heute bei den als Studentenvereinigungen zugelassenen ehemaligen Korporationen ständen. "Die unterstützen wir natürlich, aber wir sind kein Sozialverein."
Dr. Flemming beruft sich auf Grundgesetz Artikel 9: "Alle Deutschen haben das Recht. Vereine und Gesellschaften zu bilden". Wenn Prof. Deckert nach Feststellung der in Benthe überraschten Paukstudenten die Betroffenen relegieren und Korporationen wie die schlagfeste "Normannia" hinaushängen würde, dann würden sich die übrigen Mitglieder der "Normannia" oder "Saxonia" einen Schmarren daraus machen.
Dr. Flemming: "Wir brauchen keine Lizenz, wir leben doch in einer freien Demokratie". Und was das Fechten anlange, so sei Mensurschlagen weniger rüde als vergleichsweise Ringen und Boxen. Es seien selbst beim scharfen Mensurfechten nicht mehr Unfälle passiert als bei haarigen Fußballmatchs. Damit hat Dr. Flemming sicher recht, aber die judizierende Staatsanwaltschaft ist vorläufig noch streng an den Passus "Zweikampf" im Strafgesetzbuch gebunden. Dieser Passus war im Gebrauchsrecht im Laufe der vergangenen Dezennien labil.
Dr. Werner Barthold in der Pauk-Rechtfertigungsschrift "Rechtsstaat und Bestimmungsmensur": "Die Strafverfolgungsbehörden haben die Bestimmungsmensur die ganzen Jahrzehnte her geduldet. Auch in der Weimarer Zeit und im Preußen der sozialistischen Regierungen. Die amtlichen Entwürfe zur Neufassung des Strafgesetzbuches bezeichnen die Bestimmungsmensuren nicht als strafbare Handlungen, der Entwurf von 1927 erkennt sie darüber hinaus ausdrücklich als Sport an. Diese Auffassung ... ist richtig. Denn durch die Bestimmungsmensur wird weder ein Ehrenhandel ausgetragen, noch ist mit ihr eine Lebensgefahr oder die Gefahr eines erheblichen Gesundheitsschadens verbunden."
Dementsprechend wurde denn auch nach 1933 der StGB - Paragraph 210a dahingehend geändert, daß "der Zweikampf mit Schlägern, unter Vorkehrungen, die bestimmt und geeignet sind, gegen Lebensgefahr zu schützen, sowie die Herausforderung zu einem solchen Zweikampf und deren Annahme straflos sind."
Dieser Ausweichparagraph, der den mensurfechtenden Studenten eine Brücke baute, wurde durch alliierten Kontrollratsbeschluß aufgehoben. Freigegeben ist inzwischen nur das Sportfechten, weswegen Alter Herr Dr. Hermann Addicks beharrlich auf seine ungeklärte Verletzung über der Augenbraue weist: "Unsere Fechter hatten die vorgeschriebene Sport-Fechtmaske auf".
8. Am Bentherberge
Singen: „Prinz Eugen, der edle Ritter“ Von Fritz Thörner, Hannover 1920
1.
Wenn die Frühlingslüfte wehen Hin zum Bentherberg wir gehen, Dem beliebten Ausflugsort.
Ringsum bei Hannover-Linden Ist kein schön’rer Platz zu finden, als unter den Bäumen dort.
2.
Wer zählt all die Herr’n und Damen, Die zum Stelldichein einst kamen.
Als noch „Vater Rehbock“ hier;
Und die einst im Tanz hier schwebten Wären, wenn sie all noch lebten, viele Hunderttausend schier.
3.
Mit ihm schwand ein Stück Geschichte, Die verherrlicht im Gedichte
Von manch Zeitgenossen ward, Ach, der alten schönen Tage Denkt man wohl mit stiller Klage In der harten Gegenwart.
4.
Doch gleich einst den vielen andern Laßt zum Bentherberg uns wandern, schöpfen neuen Lebensmut.
Bleiben jung stets unsre Herzen
Läßt das Schwerste sich verschmerzen, und die Zeit macht alles gut.
9. Die „Benther-Berg-Terrassen“ im Wandel der Zeit
Erich Schmidbauer (1925 – 2011), Benther Bürger von 1943 bis 2001, erinnert sich.
Er war bis 1969 Geschäftsführer der Benther-Berg-Terrassen.
Aufgezeichnet im März 2006.
Mein Name ist Erich Schmidbauer, Jahrgang 1925, und von November 1934 bis Januar 2001 Benther Bürger. Die von mir nachstehend geschilderten Details über die Geschichte der den Ort Benthe einst prägenden Großgaststätte beruhen in ihrem Inhalt auf meinen einst starken persönlichen Bindungen zu diesem Haus.
Mein Vater, Otto Schmidbauer, war 1934 Bauleiter an der Harz-Fernwasserleitung Osterode – Bremen und übernahm im November des gleichen Jahres die Aufsicht des neuen Wasserwerkes Benther-Berg. Wir wohnten auf der Bergspitze und waren damit praktisch Nachbarn der „Benther-Berg-Terrassen“. Unsere Familie hatte mit dem damaligen Inhaber, Ernst Werner, freundschaftliche Verbindung, die später auch für mich von Bedeutung war, da ich nach meiner fünfjährigen russischen Gefangenschaft zunächst ab Februar 1951 im Betrieb eine kaufmännische Nebentätigkeit hatte und dann von November 1953 bis Januar 1969 als Geschäftsführer angestellt war. In den vielen Jahren, die ich diesem Hause verbunden war, konnte ich viele Personen kennenlernen, die mir persönlich aus der Entwicklung der Berg-Terrassen berichten konnten. Ich hatte Gelegenheit, Dokumente und Bilder einzusehen, zum Teil auch einige nach der späteren Schließung zu bekommen, und kann schließlich eigene Erlebnisse und Wahrnehmungen in meine Erinnerungen zurückrufen. Ich möchte der Übersicht halber meine Ausführungen wir folgt einteilen:
1. Zur Namensgebung:
Anfangs, im 19. Jahrhundert, dann bis etwa 1938, hieß die Gaststätte „Erich’s Ruh“. Dieser Name soll nach der Überlieferung zu Ehren des Lenther Gutsbesitzers, Geheimrat Erich von Lenthe, entstanden sein, welcher bei Begehung seiner Waldbesitztümer hier einzukehren pflegte.
Der Name „Erich’s Ruh“ hatte im weiten Land, vor allem in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts einen sehr guten Ruf und veranlasste andere Wirte, sich ebenfalls eines ähnlich attraktiven Namens zu bedienen. So bezeichnete sich das unterhalb befindliche Gasthaus mit „Friedrich’s Ruh“, das heute sehr bekannte und geschätzte „Hotel Benther Berg“. Das damals zwischen Benthe und dem heutigen „Jägerheim“ gelegene Ausflugslokal gab sich den Namen „Hoppen Ruh“. Angeblich sollen diese ähnlich klingenden Namen, insbesondere bei Reservierungen und Verabredungen, zu schädigenden Verwechslungen geführt haben. Der seinerzeitige Inhaber von „Erich’s Ruh“, Ernst Werner, änderte seinen Betriebsnamen 1938 auf „Benther-Berg-Terrassen“, erreichte es, das weiß ich noch sehr genau, beim Landkreis Hannover jedoch nicht, dass der neue Name geschützt wurde, weshalb ja auch später das jetzt noch bestehende „Hotel Benther Berg“ umfirmieren konnte.
Das auf der Northener Seite gelegene Gasthaus der Familie Kreitz, die sogenannte „Fröhliche Waldschänke“, ergänzte den Namen mit dem Zusatz „Benther Berg“.
2. Chronologische Entwicklung:
In meinem Besitz ist eine leicht vergilbte Fotographie, welche in etwa aus der Gründerzeit stammt. Sie zeigt eine bescheidene Fachwerkhütte unter drei kräftigen Eichen. Eine grobe neunstufige Holztreppe führt zum Eingang der bescheidenen Schänke. Rechts von der Treppe erkennt man vor dem Haus einen Landsturmmann mit Pickelhaube und langem Gewehr, der sich auf einer rustikalen Bank mit davor befindlichem Tisch ausruht. Ihm gegenüber sitzt ein Gast mit einer Art Ledermütze. Im linken Rand des Bildes ist mit Druckbuchstaben Restauration „Erich’s Ruh“ eingetragen. Auf der rechten Seite „Anno 1867“. Das wird auch in etwa der Beginn der Ausflugsstätte sein.
Erich’s Ruh um 1867
Weiter ist mir eine Bauzeichnung, eine sogenannte Blaupause, in Erinnerung. Sie stammt aus dem Jahre 1880 und gibt Auskunft über die Erweiterung und Gestaltung des Haupthauses. Es handelt sich dabei um ein reich gegliedertes Fachwerkhaus in zweistöckiger Ausführung, mit angegliedertem Saal. Als Bauherr war der damalige Besitzer Ernst Rehbok eingetragen. Sein Sohn Christian, den ältere Benther noch kennen gelernt haben, hat den Betrieb später übernommen.
Es sind noch heute Ansichtskarten aus der Jahrhundertwende 1900 vorhanden, welche aufzeigen, wie es um diese Zeit am Benther Berg aussah. So erkennen wir das Hauptgebäude mit dem angrenzenden Saal und einer davor gesetzten Veranda. Davor befand sich ein Kaffeegarten, der nach dem ersten Weltkrieg, als langsam die Motorisierung begann, zum Parkplatz umgestaltet wurde. Im, unter der Veranda befindlichen, nach vorn offenen Keller gab es schon damals einen Getränkeausschank für Wandersleute. Westlich des Haupthauses ist schon die gemauerte Terrasse erkennbar, hinter welcher sich der große Kaffeegarten befand. Unter gewaltigen, schattenspendenden Buchen waren in etwa 1.500 Sitzplätze eingerichtet. Zwei verglaste Holzveranden konnten bei plötzlichem Wetterumschwung einen Großteil der Gartengäste aufnehmen. Anfangs stand eine dieser Veranden noch quer als Abschluss im Garten, sie wurde später versetzt und stand dann mit der anderen Veranda in einer Richtung.
Im Jahr 1929 erwarb der Gastwirt Hermann Werner die Gaststätte „Erich’s Ruh“. Seine Frau Auguste, geborene Schmedes, stammte aus Benthe. (Vorgängerhaus des heutigen Ohlhoffschen Hauses). Beide waren recht erfolgreiche Wirtsleute. Sie betrieben zunächst eine Wirtschaft in Nachbarschaft der damaligen Kunstgewerbeschule Hannover, das war etwa dort, wo sich heute die Hannoversche Markthalle befindet. Während der Errichtung des neuen Rathauses Hannover, in unmittelbarer Nähe, machten sie besonders gute Geschäfte und erwarben sich einen sehr guten Ruf, weshalb ihnen die Stadt Hannover damals die Pachtung des städtischen Betriebes „Döhrener Turm“ antrug. Dieser war anfangs des vorigen Jahrhunderts wohl der bekannteste Naherholungsort im hannoverschen Bereich.
Nach dem Erwerb der Gaststätte in Benthe setzten sie ihren Sohn Ernst, geb. am 14. Juli 1906, den jüngsten ihrer drei Söhne, dort als Geschäftsführer ein. Eine kleine Marmortafel, gestiftet von der damals am Umbau beteiligten Benther Baufirma Ernst Offenhausen & Sohn, berichtete von dem Besitzerwechsel. Die Tafel war in die Mauer des Gartenspringbrunnens eingelassen und ist später leider von Unbekannten herausgebrochen worden.
Sonntagnachmittags-Gäste vor den Benther-Berg-Terrassen im Jahre 1911 (aus: Chronik Benthe)
Der Betrieb erlebte nach der Übernahme durch die Familie Werner erneut einen großen Aufschwung. Die sich dem Hannoveraner Werner gegenüber reserviert verhaltenden Benther Grundbesitzer ließen sich, nicht zuletzt durch den Zuspruch der in Benthe geborenen Ehefrau, zu einem gemeinsamen Treffen überreden. Alkoholselig nahm diesen dann der Besitzer Werner durch Handschlag den sofortigen Verkauf des Grundstückes „Brink“ ab und erklärte, dass er zwecks der besseren Aussicht auch die ca. 200 hohen Tannen fällen dürfe. In der berechtigten Befürchtung evtl. Erinnerungslücken ließ der gewiefte Geschäftsmann noch in der Nacht schon vorher georderte Waldarbeiter in Aktion treten. Als die Benther Bürger erwachten, waren alle Tannen gefällt und die „Erich’s Ruh“ strahlte voller Pracht in die aufgehende Morgensonne. Mit der damit geschaffenen Aussicht war der geschäftliche Aufschwung besonders verbunden.
Anfang der dreißiger Jahre wurden bei gleichmäßig gut laufenden Geschäften etliche Umbauten vorgenommen. Die Gartenterrassen erhielten durch einen Tunnel über die Spülküche Anschluss zum Hauptgebäude. Der Kaffeegarten wurde terrassenmäßig umgestaltet und erhielt eine damals sehr bewunderte Freitanzfläche mit bunt beleuchtetem Glasboden. An den Saal wurden auf der Nordseite moderne Toiletten und Garderoben angebaut. Man musste dabei schwierige Schachtarbeiten im steinigen Baugrund vornehmen. Vorher lagen die Toiletten, unzeitgemäße sogenannte Plumpsklosetts, ca. 100 Meter außerhalb der Gasträume.
Eines der schwierigsten Probleme war von je her und bei zunehmender Geschäftsbelebung besonders die Wasserversorgung. Ehe Benthe 1934 an die Harzwasserleitung anschließen konnte, herrschte vor Ort oft große Wassernot. Zu einer festgelegten Tageszeit wurde vom Gemeindediener die Handpumpe gegenüber der Dorfschmiede aufgeschlossen und je nach Familiengröße konnte das Wasser in Eimern abgegeben werden. Die Wasserversorgung der damaligen „Erich’s Ruh“ wurde sehr aufwendig mit Pferde-Wasserfahrzeugen durchgeführt. Bauer Maage aus Benthe war mehrmals am Tag, besonders an den Ausflugstagen, im Einsatz. Das Wasser war in der erforderlichen Menge in Everloh vorhanden, jedoch war das ein sehr weiter Transportweg. Es kam häufig zu schweren, unangenehmen Engpässen. Um dieses Übel abzustellen, hatte der Senior Werner den Mut, durch einen Wünschelrutengänger eine Wasserader suchen zu lassen, und entgegen aller Unkenrufe wurde eine Bohrung in 34 Meter Tiefe fündig und lieferte über eine Pumpenanlage ausreichend Gebrauchswasser. Die Lösung des Wasserproblems war schon vom Sanitärbereich her ausschlaggebend für den Aufschwung des Betriebes. Als für Benthe 1934 mit dem Anschluss an die Harzwasserleitung die Wassernot beendet war, schloss sich auch der Wernersche Betrieb wegen der wesentlich besseren und auch hygienisch kontrollierten Qualität an das Leitungsnetz an. Das Pumpenhaus blieb für Notfälle erhalten, ist aber nach Aufgabe des Betriebes eingeebnet worden.
Weiter ist noch der Bau der großen Freitreppe vom Parkplatz zum Talgrund zu erwähnen. Diese Treppe überwand einen Höhenunterschied von gut 20 Metern und war eine Fortsetzung des Northener Kirchweges. Dieses alte Wegerecht führte mitten durch das Grundstück und konnte, trotz aller Bemühungen durch die Besitzer, nie aufgehoben werden. Falls, wie geschehen, einmal das große Gartentor von Northen her zugemacht wurde, erfolgte sofort Protest. Meines Erachtens existiert dieses Recht noch heute.
Die Benther Berg Terrassen als „Kur-Hotel“ für die Soldaten des Zweiten Weltkrieges
Kurz vor Kriegsausbruch wurde im Jahr 1939 der Saal umgebaut. Er erhielt jetzt an der Nordseite ein Musikpodium. Vorher befand sich das Podium an der Längsseite des Saales und musste einem Türdurchgang zur mittleren, neu erbauten Veranda weichen. Die Veranda wurde durchgehend erneuert. Durch Trenntüren konnte sie in drei kleinere Räume unterteilt werden. Mitten in die Umbauarbeiten platzte der Kriegsausbruch im September 1939 und nur mit großen Schwierigkeiten konnten die Arbeiten Ende des gleichen Jahres abgeschlossen werden.
Der Kriegsausbruch stoppte zwangsweise die Geschäftsentwicklung. Als erstes entfielen die Tanzveranstaltungen und schließlich wurde der Speisen- und Getränkeverkauf immer weniger, da ja Lebensmittelmarken für den Verzehr erforderlich waren. Im Jahr 1943 wurde das gesamte Haus beschlagnahmt und als Reservelazarett dem Hauptlazarett Bismarckschule (Hannover) angegliedert. Als die Luftangriffe immer stärker wurden, trieben Bergleute aus dem Empelder Kaliwerk einen U-förmigen Tunnel unter den Parkplatz der Terrassen.
Die Benther-Berg-Terrassen im Jahr 1942 mit der Beflaggung der Nationalsozialisten.
Dieser diente dann bei Luftangriffen als Bunker für das Lazarett. Ich selbst habe als Soldat nach meiner in Frankreich erlittenen Verwundung von Dezember 1944 bis 13. März 1945 Aufnahme im Heimatlazarett gefunden. An einem Februar-Samstag erlebte ich in dem Bunker einen schweren Luftangriff, bei dem ein amerikanisches Bombenflugzeug von der deutschen Flugabwehr abgeschossen wurde. Mit gewaltigem Getöse trudelte das Flugzeug herunter und ging in Flammen nahe dem Gut Erichshof auf. Drei amerikanische Soldaten konnten sich mit dem Fallschirm retten, drei zerschmetterten am Boden und hatten das gleiche grausame Schicksal wie die drei Kameraden, die nicht mehr aus dem Bomber kamen. Schreckliche Ereignisse in der damaligen Kriegszeit!
Nach dem Zusammenbruch, in Benthe schon im April 1945, kamen über das Haus böse Stunden. Die Soldaten flüchteten aus dem Lazarett, ich war zu der Zeit schon wieder im Fronteinsatz, als das Ganze von befreiten Zwangsarbeitern in Besitz genommen wurde. Im Befreiungstaumel wurden viele Einrichtungsgegenstände zerstört und der Saal durch offenes Feuer schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nach einigermaßen Normalisierung der Lage richtete die englische Militärregierung schließlich ein Kinderheim im Hause ein. Eine große Zahl, durch die Vertreibung elternlos gewordene Kinder, fanden im Heim erste Aufnahme. Viele unbeschreibbare Schicksale hat das Haus damals erlebt.
Im Jahr 1948 gelang es mit Hilfe des damaligen Oberkreisdirektors, August Steppat, dass die „Benther Berg Terrassen“ wieder dem ursprünglichen Zweck zugeführt werden konnten. Zum Weihnachtsfest 1948 war Wiedereröffnung der beliebten Gaststätte. Verschiedene Faktoren beeinflussten den guten Start nach der langen Zweckentfremdung. Zum großen Vergnügungs-Nachholbedarf der Bevölkerung nach der langen Kriegszeit war der große Saal einer der wenigen im weiten Umkreis, die sich für größere Veranstaltungen wieder eigneten und, was damals sehr entscheidend war, die feste Anstellung der 5-Mann-Kapelle Hans Imbke mit dem unvergessenen Konzertgeiger Fritz Greinke. Diese Kapelle hatte große Anziehungskraft und trug weit über 25 Jahre lang wesentlich zum erfolgreichen Geschäftsablauf bei. Sehr gute Umsätze und niedrige Personalkosten tilgten nicht nur schnell die Anfangskredite, sie schufen auch die Voraussetzung für neue Investitionen.
Die stärker werdende Motorisierung forderte die Schaffung eines weiteren Parkplatzes. Dafür wurde von der Hofbesitzerin, Frau Dora Wilke, das Grundstück erworben und mit einer großen Stützmauer ein zusätzlicher Parkplatz für ca. 60 Autos geschaffen. Da auch die steile Auffahrt unbefestigt und daher bei schlechtem Wetter oft unpassierbar war, musste der tiefe Hohlweg aufgeschüttet und mit einer stabilen Pflasterung versehen werden. Die auch jetzt noch vorhandenen Pflastersteine stammen aus Munster und waren dort einmal Belag für die Panzerstraße auf dem Truppenübungsplatz. Dieser Straßenbau war auch ein Verdienst des schon erwähnten Oberkreisdirektors Steppat. Er war für die Verbesserung der Landkreis-Infrastruktur besonders engagiert. Sein wohl größter Verdienst für den Betrieb war die Grenzreform für die „Benther Berg Terrassen“. Was keinem Politiker vorher gelang, auch nicht denen aus der NS-Zeit, ist von ihm realisiert worden. Das 14.000 qm große Gelände wurde nämlich von vier Gemeindegrenzen tangiert. Obwohl die „Benther Berg Terrassen“ total nach Benthe orientiert waren, gehörten die Betriebsangehörigen politisch nach Lenthe, wo auch alle Amtsgeschäfte zu erledigen waren. Die Grenze von Lenthe ging kurioserweise über die Herdplatte durch die Wirtschaftsküche.
Der so genannte „große Saal“
Der Betrieb war damals ein reiner Familienbetrieb. Der langjährige Inhaber, der eingangs erwähnte Ernst Werner, galt als Original, erfreute sich aber als Fachmann eines sehr guten Rufes weit über die Kreis- und Stadtgrenzen hinaus. Er, geboren am 14. Juli 1906, heiratete am 9. Oktober 1951 die Gastwirtstochter Elfriede Lüdecke, geboren am 18. März 1910, vom bekannten „Lindener Mond“. Am 4. Mai 1954 ist deren Tochter Elfriede geboren. Sie wurde schon mit sechs Jahren Halbwaise, da ihr Vater am 20. September 1960 im Alter von 54 Jahren verstarb. Mit dem Ableben ging der Betrieb in eine Erbengemeinschaft mit damals 18 Beteiligten über, was für die weitere Betriebsführung nicht vorteilhaft war. Beschlüsse für Geschäftsabläufe waren schwierig zu erreichen. Ich, als Schreiber dieser kleinen Chronik, schied 1969 wegen Übernahme einer größeren Aufgabe aus dem Betrieb aus (Erich Schmidbauer wurde Geschäftsführer des Fußballverbandheimes in Barsinghause, d. Red.). Frau Elfriede Werner führte mit ihren beiden Söhnen aus einer ersten Ehe das Geschäft weiter. Viele Entwicklungen waren Schuld für mehr und mehr einsetzende Geschäftsschwierigkeiten. Einmal wegen der soeben erwähnten Besitzverhältnisse waren notwendige Investitionen nicht rechtzeitig vorgenommen worden. Zum anderen wurde das Ausflugsgeschäft immer schwieriger, da das Fernsehen in den sechziger Jahren immer mehr Menschen davon abhielt, regelmäßig auszugehen und damit die Betriebe zu beleben. Ein für die „Benther Berg Terrassen“ besonders großer Nachteil war die verkehrsmäßig doch sehr ungünstige Anbindung. Die noch damals verkehrende Linie 10 der Hannoverschen Straßenbahn war gut 1 ½ km von den Terrassen entfernt und deshalb war, insbesondere bei schlechtem Wetter, die Abhängigkeit vom Auto gegeben. Da strenge neue Gesetze den Verzehr von Alkohol einschränkten, was in diesem Bereich die Autofahrer zunächst verunsicherte und später auch zur Einsicht brachte, nur soviel Alkohol zu trinken, dass der Führerschein nicht gefährdet war. Das war ein besonders wichtiger Grund für den Geschäftsrückgang. Zum anderen wurden die Personalkosten immer höher und da eine gleichmäßige Auslastung einer derart saison- und wetterabhängigen Gaststätte nicht gegeben war, verschuldete der Betrieb immer mehr. Nach meinen, sicher auch in späteren Jahren gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen, hätte nur eine Umstrukturierung in einen kombinierten Restaurant- und Beherbergungsbetrieb den gesunden Fortbestand des Betriebes bringen können. Am Beispiel des benachbarten „Hotel Benther Berg“ wird das mehr als deutlich. Die zeitlich notwendige Investition ist aus Uneinsicht unterblieben, der Untergang nahm seinen Lauf.
Blick in „besseren Zeiten“ auf die voll besetzte Außenterrasse
Als bestimmte Zahlungen nicht mehr geleistet werden konnten, hat man bedauerlicherweise von Seiten der Erbengemeinschaft der damaligen Inhaberin, Frau Elfriede Werner die Betriebsführung abgenommen. Dies geschah im Jahre 1974. Das große, etwas abgelegene Haus stand nun verlassen und wurde schnell zum Objekt sinnloser Plünderungen und Zerstörungen. Dieser Grad der Vernichtung hätte sicher verhindert werden können. Eine erste Brandstiftung konnte von der Benther Feuerwehr unter Brandmeister Willi Mues noch im Keime erstickt werden, das zweite Feuer, ausgebrochen in den Abendstunden des 27. Dezember 1975, einem Samstag, vernichtete das ganze Anwesen bis auf die Grundmauern.
Der Hauptgläubiger des Betriebes, die Volksbank Hannover unter Direktor Poser, fand keine Möglichkeit, den Betrieb wieder aufzubauen. Vergeblich bemühte sie sich, beim Landkreis eine Lockerung der strengen Landschaftsschutzordnung zu erreichen, was einen wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb ermöglicht hätte, hier war an ein mehrstöckiges Hotel gedacht. 1977 verkaufte die Volksbank das 14.000 qm große Gelände an einen Privatmann, um ihr Forderungskonto auszugleichen.
Für ein Butterbrot wechselte das Werk von Generationen seinen Besitzer, einem gewissen Herrn von Halasch, der vermutlich mit diesem Besitz auch nichts anfangen konnte. Inzwischen ist das Anwesen längst eingeebnet und nur durch die hohen Terrassenmauern und die beiden Parkplätze kann man noch ermessen, welch dominantes Bild die „Benther Berg Terrassen für den Ort Benthe einst darstellten.
3. Der Gästekreis:
Man kann schon sagen, dass die „Benther Berg Terrassen“ das bekannteste und wohl auch beliebteste Ausflugslokal im hannoverschen Bereich waren.
Der herrliche Ausblick und im Hintergrund der mächtige Laubwald mit seinen schönen Wanderwegen hatten große Anziehungskraft, zum anderen lag Benthe in einer idealen Entfernung zum hannoverschen Stadtzentrum. Für die Anfang des vorigen Jahrhunderts einsetzenden Pferdekutschen war es eine Ausfahrt von einer knappen Stunde, für die Benutzer der Straßenbahn, Linie 10, eine willkommene Gelegenheit, entweder von „Badenstedt Denkmal“ aus in einem gut einstündigen, von „Benthe Sieben Trappen“ in einem etwa 20-minütigem Fußmarsch das am Waldrand gelegene Lokal zu erreichen.
Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges kann man sagen, dass der Stadthannoveraner den Hauptgästekreis verkörperte. Die großen Umsätze wurden dabei hauptsächlich an Sonn- und Feiertagen gemacht. Und sie beschränkten sich auch in der Hauptsache auf das Kaffee- und Getränkegeschäft. 1.500 Sitzplätze im Kaffeegarten und etwa 750 Plätze in beheizbaren Räumen stellten eine beachtliche Kapazität dar. Das Personalproblem war damals noch recht flexibel zu lösen.
Aushilfskräfte, solche meist im Nebenverdienst, wurden nur an Hauptbetriebstagen eingesetzt und belasteten den Kostenbereich an den anderen Tagen nicht.
Als der Betrieb nach dem letzten Weltkrieg, wie geschildert, wieder in Gang kam, hatte sich der Gästekreis doch stark verändert. Da der Wiederaufbau in der Stadt, damit auch die Wiederingangsetzung von Saal- und Vergnügungsbetrieben, noch nicht abgeschlossen war, bot sich für die „Benther Berg Terrassen“ die gute Gelegenheit, durch feste Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen den Nachholbedarf für die Bevölkerung nach den entbehrungsreichen Jahren zu erfüllen. Diese Veranstaltungen hatten ihren festen Platz am Mittwoch, an Samstagen, an Sonn- und Feiertagen, bei letzteren auch an den Nachmittagen. Der allgemeine Nachholbedarf wirkte sich auch noch für manch andere Gästegruppen aus. Viele Betriebsfeiern und studentische Verbindungsfeiern waren damals, im Gegensatz zu heute, eine häufige Veranstaltungsart. Hochzeiten und andere Familienfeiern wurden in großer Zahl gebucht. Ganz besonders soll die Auswirkung der 1948 in Gang gekommenen Hannover-Messe genannt werden. Dieser betuchte Gästekreis brachte in den 50er und 60er Jahren ungeahnte Umsatzahlen. Für ca. 14 Tage wurde damals Benthe durch die Messe beherrscht. Die Autos standen an den Haupttagen bis zur Ortsmitte geparkt. Gäste aus allen Teilen der Welt lernten Benthe kennen.
Eine große Attraktion hatte der jedes Mal in die Industriemesse fallende Tanz in den Mai. Mit Begleitung der bekannten Ronnenberger Feuerwehrkapelle gelangten Gäste und viele Zuschauer aus dem Umland zum damals noch unbebauten Gelände unterhalb des großen Parkplatzes und erlebten mit einem mächtigen Holzfeuer und mit Frühlingsgesängen den Maienbeginn. Das paarweise Springen über die niedergebrannte Glut soll angeblich manche Lebensverbindung zusammengebracht haben.
Aus der Erinnerung und auch aus etlichen Unterlagen kann ich von einigen prominenten Gästen und Gruppen berichten, welche in den Terrassen einkehrten und nachstehend beschrieben werden sollen.
1956 - Die Benther Berg Terrassen bei Nacht
Die Königliche Hoheit Viktoria Luise, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, Tochter des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II, war im Sommer 1955 Gast der Hochzeitsfeier Bähre/Fricke (Tochter des Landwirts Fricke, Empelde). Der Vater des Bräutigams Bähre war Leiter des herzoglichen Marstalls. Viele Bürger der Umgebung bildeten Spalier, als die Herzogin das Brautpaar in den Festsaal geleitete.
Ein besonderes Ereignis war das Richtfest für den Neubau der „Hinrich-Wilhelm- Kopf-Schule“ am 4. November 1965 in Empelde. Die damals noch selbständige Gemeinde Empelde unter dem verdienstvollen Bürgermeister, Karl Serbent, erbaute im östlichen Ortsgebiet als Pilotprojekt die erste größere Schule in Stahlskelett- Bauweise, konstruiert und angeboten von Krupp-Essen, weshalb der wohl bekannteste deutsche Wirtschaftskapitän, Generalbevollmächtigter Berthold Beitz, persönlich sein Unternehmen beim Richtfest vertrat. Zusammen mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten, Georg Diedrichs, dem Landesminister, Alfred Kubel, mit Landrat Karl Schönemann, Oberkreisdirektor August Steppat, der Tochter und dem Sohn vom ersten niedersächsischen Ministerpräsidenten, Hinrich Wilhelm Kopf, dem sogenannten „Roten Welfen“ und noch vielen anderen Prominenten waren ca. 120 Personen der Einladung vom Kalten Büfett in den „Benther Berg Terrassen“ gefolgt. Die kurze Überlegung von mir, dass die obere Prominenz vermutlich allzu oft derartige Büfetts vorgesetzt bekommt, war Anlass, alternativ eine deftige Erbsensuppe für diesen Kreis vorzubereiten. Mit großer Begeisterung und mit Erstaunen wurde von der Prominenz das Angebot vernommen und kräftig zugelangt. Berthold Beitz, der auch noch, wie viele andere, reichlich Nachschlag verlangt hatte, war voll des Lobes und erzählte, dass er Jahrzehnte zuvor bei seiner Mutter in Greifswald einen ähnlich guten „Eintopf mit Schnuten und
Pfötchen“ gegessen hätte. Sein bescheidener Wunsch auf Harzer mit Gänseschmalz wurde auch noch schnell erfüllt. Eine humorvolle Reportage mit Bild mit der Überschrift „Es war ein toller Erfolg“ erschien in der HAZ am 6. November 1965 und war für uns Bestätigung für gelungene Bewirtung.
Besuch hatten die „Benther Berg Terrassen“ von der deutschen Fußball- Weltmeistermannschaft 1954. Fritz und Ottmar Walter, Helmut Rahn, Werner Liebrich, Horst Eckel, Werner Kohlmeier und noch einige andere gaben so sehr begehrte Autogramme. Auch der deutsche Eiskunstlaufmeister Manfred Schnelldorfer zählte zum sportlichen Besucherkreis. In Erinnerung ist auch noch die erste deutsche Querfeldein-Meisterschaft der Radsportler mit Start und Ziel auf dem Parkplatz der Bergterrassen. Tausende Zuschauer jubelten dem ersten deutschen Meister in dieser Disziplin, Rolf Wolfshol, begeistert zu. Es gehörte für die namhaften hannoverschen Radsportvereine zur jährlichen Tradition, immer am Karfreitag die sogenannte Saisonfahrt zu starten, Ziel war dann immer bei den Bergterrassen, wo man dann mit Angehörigen und Freunden Einkehr hielt.
Zu den prominenten Besuchern zählten auch Filmgrößen wie Hans Söhnker und Vera Molnar („Mein Freund, der Dieb“), der Schauspieler Peter Carsten, der mit Joachim Fuchsberger (genannt „Blacky“) durch den Erfolgsfilm „08/15“ sehr bekannt war.
Viele Stammkunden kamen aus den Bereichen Handel, Industrie und Verwaltungen. Die damals weltweit führenden Pelikanwerke waren mit wechselnden Veranstaltungen ebenso vertreten wie die Hanomag, Zahnrad-Seegers, Kalanderbau Berstorff, Wülfeler Eisenwerke, die Kaliwerke Empelde und Ronnenberg. Die Kreissparkasse, die Landkreisverwaltung und auch Parteiverbände standen in ständiger Gastronomieverbindung zum Haus. Kleine und große Familienfeiern konnten auf Grund der räumlichen Voraussetzungen in großer Zahl durchgeführt werden.
4. Beschäftigungs- und Umsatzzahlen
Meine Angaben beschränken sich auf die Zeit der 50er und 60er Jahre. Sie sind in gewissen Bereichen auch davor üblich gewesen, mit Ausnahme der Beschäftigungszahl. Waren vor dem Weltkrieg hauptsächlich Aushilfskräfte im Einsatz, so änderte sich das danach durch die tarifliche und betriebliche Entwicklung doch erheblich. Insgesamt waren zu meiner Geschäftsführerzeit ca. 35 Vollarbeitsplätze besetzt. Die wirtschaftliche Anbindung an Benthe war nicht nur im Beschäftigungsbereich günstig. Auch Handwerker, Betriebe wie Bäckerei Horst Wolf, Fleischerei Schäfer und einige Landwirte waren eingebunden, so dass die Bergterrassen stark zur guten Ortsstruktur beitrugen.
Die Umsatzmengen waren an den Hauptgeschäftstagen, das waren die wetterbegünstigten Sonn- und Feiertage, erstaunlich. In der Spitze erreichten wir an solchen Tagen ca. folgende Zahlen:
500 Liter Kaffee = 3.000 Tassen oder 1.500 Portionen
2.000 Stück Kuchen
140 Liter Speiseeis = 1.900 Portionen
1.200 Berliner Weisse mit Schuss
1.000 Flaschen Limonade und Säfte 250 3-teilige Mittagsmenüs
500 verschiedene kalte und warme Speisen
Eine Tasse Kaffee kostete in den 50er Jahren beispielsweise 0,64 DM plus 10% Bedienung.
Allerdings war es damals üblich, große 2er Kaffeeportionen im Kaffeegarten zu servieren. An alle Mitarbeiter wurden hohe Anforderungen gestellt. Das Porzellan war wegen der Bruchgefahr dick und dadurch schwer. Die Bedienungen schleppten enorm schwere Tabletts bis in die entferntesten Ecken der Gartenterrasse. Das Geschirr musste noch mit der Hand gewaschen werden, was einen großen Einsatz an Personal und aufwendigen Spülbecken bedeutete.
Der Betriebsablauf musste vor allem vom Einkauf her stark durchdacht werden. Es gab noch nicht die modernen, auch preiswerten Kühleinrichtungen für eine sorgenfreie Vorratswirtschaft. Für die Kühlung diverser Getränke beispielsweise bezogen wir von der Brauerei zum Wochenende ca. 20 Stangen Klareis, welches in Isolierkisten aufbewahrt wurde. Das war eine teure und aufwendige Angelegenheit.
Alles in allem wurden hohe Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt. Die Tariflöhne lagen sehr niedrig und im Vergleich zu heute unrealistisch. Eine Spülfrau zum Beispiel bekam einen Stundenlohn von 0,75 DM, ein Musiker der Hauskapelle den beneideten Satz von 4,00 DM. Während heute die Beachtung der Personalkosten in der Kalkulation in der Dienstleistungsbranche Vorrang hat, spielte früher mehr die Überwachung des Wareneinsatzes die entscheidende Rolle.
In meinem Besitz ist eine Mittags-Menükarte aus dem Jahre 1959. Nachstehend ist eine Abschrift dieser Karte, die Auskunft über damalige Preise und Angebote geben kann.
Benther-Berg-Terrassen Sonntag, 18. Januar 1959
1. Legierte Tomatensuppe
Paniertes Jungschweinskotelette m. Apfel-Rotkraut und Salzkartoffeln Eisbecher „Renate“ DM 3,50
2. Legierte Tomatensuppe
Rumpsteak mit Meerrettich und Salzkartoffeln
Eisbecher DM 4,25
3. Legierte Tomatensuppe
Paniertes Kalbsschnitzel mit Rahmsauce und Salzkartoffeln
Eisbecher DM 4,50
4. Hannoversches Zungenragout mit Champignons, Perlzwiebeln,
Klößchen, Saucischen, Fleuron und Salzkartoffeln DM 4,50
5. Huhn auf Curryreis (Brust und Keule)
mit gefüllter Blätterteigpastete (Klößchen und Spargel) DM 4,50
6. Gebackener Kapaun
mit gemischten Salaten und Dampfkartoffeln DM 4,50
7. Regenbogen-Forelle, blau, mit zerlassener Butter, Sahnemeerrettich,
Kart. oder Forelle gebacken, mit Remoulade und Kartoffelsalat DM 4,50
Auf besonderen Wunsch können die Gedecke 4 – 7 gegen Zuschlag von DM 1,00 ebenfalls mit Suppe und Dessert gereicht werden. Tischzeit: 12.00 bis 14.00 Uhr.
zuzüglich 10% Bedienungsgeld
Zusammengefasst möchte ich zum Schluss feststellen, dass es für Benthe sehr schade war, eine solch herrliche Ausflugsgaststätte zu verlieren. Nachdem die Wiederaufbaufristen längst verstrichen sind, ist in Zukunft nach den strengen Landschaftsbestimmungen auch ein Neubau am alten Platz nicht mehr zu realisieren. Mit den vorstehenden Betrachtungen hoffe ich, für nachfolgende Generationen einen einst bedeutenden Teil des Benther Ortsbildes zu vermitteln und damit auch historisch zu erhalten.
Erich Schmidbauer
10. Kulinarische Nachlese
Dass sich in den Benther Berg Terrassen gut speisen ließ, belegen die Auszüge aus der letzten Speisekarte. Neben so deftigen Angeboten wie ein Schweineschnitzel (10,- DM) oder 3 Spiegeleiern mit Bratkartoffeln (4,50 DM) gab es auch erlesenere Gerichte wie einen Langusten-Cocktail (8,50 DM) oder eine lebendfrische Benther- Berg-Forelle (10.- DM).
Die Schildkrötensuppe „indisch“ mit Chesterstange (3,- DM) und die Kraftbrühe mit Ei (1,70 DM) wurden in den Suppenschalen serviert, von denen hier einige in Originalfotos abgebildet sind.
11. Kindheitserinnerungen
Aufgeschrieben von Ralph Hartmann
Es war ein später Samstagnachmittag – irgendwann gegen Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Eigentlich ist es egal, welches genaue Datum es war, denn die Abläufe waren immer gleich.
Die ganze Familie hatte ein gemeinsames Wochenende vor sich. D. h. der Sonntag war zum Ausruhen da. Der verbliebene Rest vom Samstag wurde jedoch mit Freunden verbracht. Die Eltern trafen sich mit ihren Freunden und wir Kinder mit den Kindern der Elternfreunde. Alle hatten ein gemeinsames Ziel: die Benther Berg Terrassen.
Voller Vorfreude fuhr Vater unser Auto über die alte Bundesstraße 65 in Richtung Benthe. In gemächlichem Tempo ging es durch den Ort. Die letzten Meter bis zum Parkplatz schaukelten wir recht holprig über die mit Pflastersteinen belegte Straße. Oben angekommen hörte ich schon meine Freunde lautstark auf unser Auto zulaufen.
Ab diesem Zeitpunkt wurden Kinder und Eltern getrennt. Nicht ein Ordnungshüter oder irgendeine höhere Macht riss hier Familien auseinander. Nein, es passierte einfach so. Die Kinder spielten und die Eltern genossen Kaffee und Kuchen, wohlwissend, dass ihre Kinder sich amüsieren würden. Und was sollte hier schon passieren? Hier, wo die Felder der Bauern hinter dem Parkplatz einen Kontrast zum dunklen Wald boten. Im Winter waren die Felder unser Landeplatz, wenn wir uns mutig mit unseren Schlitten von oben durch den Wald um die Bäume herum in die Tiefe stürzten. Im Sommer waren sie für uns nur ein Acker.
Bevor wir aber begannen, dafür zu sorgen, dass unsere Bekleidung am Abend einen etwas mitgenommenen Eindrucke machte – was besonders unseren Müttern missfiel – gab es erst einmal eine Erfrischung. Meistens gab es „Florida Boy Orange“ (ohne Kohlensäure) zu trinken. Also schnell die paar Stufen vom Parkplatz hoch zum Außenbereich, wo man herrlich unter Schatten spendenden Bäumen sitzen konnte. Schwanzwedelnd kam uns der liebe „Barry“ entgegen. Ich weiß gar nicht mehr, was für einer Hunderasse er angehörte. Ich weiß nur noch, dass er groß, schwarz und ganz lieb war. Ganz kleine Kinder durften sogar ein kurzes Stück auf ihm reiten.
Direkt neben Barrys Liegeplatz war eine Art Aquarium, in dem Forellen schwammen, welche später von den Gästen des Restaurants verspeist wurden. Hinter den Forellen war der Eingang zur Küche. Da wir den Sohn des Pächters der Benther Berg Terrassen gut kannten, durften wir uns auch oft in der Küche aufhalten.
Gegessen haben wir Kinder allerdings dort nie. Unsere Eltern drückten vielmehr jedem von uns zwei DM in die Hand und ab ging es in Richtung Dorf – genauer gesagt zu einem Mann namens Schäfer. Dieser verkaufte auf seinem Gehöft aus einer Holzbude heraus gegrillte Würstchen. Wenn man nun eine Bratwurst und eine Fanta kaufte, blieb noch genau so viel Geld übrig, um noch eine Packung Knallerbsen zu bekommen. Wohlgemerkt, die Knallerbsen gab es dort, wo es auch die Bratwurst zu kaufen gab. Heutzutage würde man diesen Verkaufsansatz als Cross-Selling oder gutes Merchandising bezeichnen.
Nach dem o. g. „Abendessen“ war es Zeit, durch den Wald zu stromern, auf irgendwelche Vorsprünge zu klettern, Absperrungen zu überwinden oder sich einfach nur mal wieder bei den Köchen blicken zu lassen. Jegliche Aktivitäten sorgten wetterbedingt für mehr oder weniger verschmutzte Bekleidung. Es flogen die Stunden nur so dahin und irgendwann mussten wir wieder mit unseren Eltern nach Hause fahren. Obwohl wir Kinder protestierten, dass es doch noch gar nicht so spät sei (was objektiv nicht stimmte), war unsere Stimmung dennoch gut, weil wir a) einen tollen Nachmittag / Abend verlebt hatten und b) wussten, dass es nur ein paar Tage dauern würde bis wir wieder hierher kommen würden.
Dann kam der Tag als ein Brand das Hauptgebäude der Benther Berg Terrassen zerstörte. Das war auch das Ende unserer Wochenendausflüge dorthin. Und somit ging auch ein Stück unbekümmerter Kindheit verloren.
Lange Zeit danach stand noch die ausgebrannte Ruine. Zutritt strengstens verboten! Wir Kinder sind dann trotzdem noch einmal mit unseren Fahrrädern zu unserem, nämlich diesem, ehemaligen Abenteuerspielplatz gefahren. Die Verbotsschilder konnten uns nicht abhalten, die Stätte unserer Wochenendabenteuer erneut zu erobern. Aber es war vorbei. Es gab keinen Barry mehr, keine Florida Boy Orange und keine Köche, die uns aus der Küche hinausjagten.
Heutzutage kann man nur noch den Parkplatz und die Fragmente des Kellers sehen. Ich bin vor einigen Jahren mit meinem Vater und meinem Sohn noch einmal dort gewesen, aber das einzige, was noch existiert, sind die Erinnerungen, die ich in mir trage.
12. Das Ende
An das Jahr 1975 denken viele Benther Bürger noch mit Schrecken zurück. Durch einen Wassereinbruch im Kalischacht Ronnenberg kam die Erde in Bewegung und die gesamte Umgebung wurde zum Katastrophengebiet erklärt. Damit nicht genug! Dank der schnellen Einsätze der Benther Feuerwehr konnte dreimal ein Brand der Benther-Berg-Terrassen verhindert werden, doch am 27. Dezember 1975 brannte das Gebäude komplett aus, obwohl 9 Löschfahrzeuge und 75 Feuerwehrleute im Einsatz waren. Das Ende einer Ära war besiegelt.
Bei ehemaligen Besuchern kommen sicherlich wieder Erinnerungen hoch. Wer erinnert sich nicht an den schwarzen Hund „Barry“, dessen Name noch an der Treppenmauer bei seinem Stammplatz zu lesen ist. Und an das Fischbecken rechts daneben, aus dem der frische Fisch direkt in die Küche wanderte.
So war aus den ehemals stolzen und berühmten Benther-Berg-Terrassen eine düstere Brandruine geworden.
13. Die Benther Berg Terrassen im zeitlichen Überblick
1863
Getränkestand Rehbock im Walde am früheren fürstlichen Rastplatz
1867
Anbau der Veranda
1879
Bau des Wohnhauses mit Gasträumen und Saal nach Pachtvertrag mit
Erich Friedrich Ludwig von Lenthe, dem Namensgeber für „Erichs Ruh“
1896
Straßenbahn Linie 10 bis Haltestelle „Sieben Trappen“
1894
Anbau einer großen separate Glasveranda
1913
Bau eines zweiten Hauses
1925
Verpachtung an Richard Kohl
1929
Verkauf an den Gastwirt Hermann Werner für dessen Sohn Ernst
Neben dem Namen „Erichs Ruh“ wird der Begriff der „Benther Berg
Terrassen“ geläufig.
1939
vorläufige Schließung der Gaststätte
1943
Nutzung als Lazarett
1948
Wiedereröffnung
1960
Tod des Wirtes Hermann Werner, Übergabe an eine Erbengemeinschaft
1974
Ende der Bewirtschaftung
1975
Brand und Verkauf des Gebäudes
1989
Abbruch
Hier ist ein nettes Fundstück, das an die Benther-Berg-Terrassen erinnert. Kurz vor den Toiletten stand eine große Personenwage, die nach Einwurf eines geringen Geldbetrages ein kleines Kärtchen mit dem aktuellen Gewicht auswarf. Sicherlich werden viele diese Waage noch im Gedächtnis haben.
14. Die Geschichte vom Milchkännchen
Der Benther Wilhelm Kulke, Vorsitzender des Arbeitskreises „Ronnenberger Stadtgeschichte“ erinnert sich.
Es war Mitte der 1990er Jahre, als ich, wie so oft, mit meiner Ehefrau am wunderschönen Waldrand des Benther Berges spazieren ging. Als wir an der Stelle vorbeikamen, an der in früherer Zeit die „Benther Berg Terrassen“ standen, sahen wir schon von weitem, wie zwei Männer mit einer Leiter an dieser Örtlichkeit herumhantierten. Beim Näherkommen erschloss sich uns das ungewöhnliche Treiben. An der Stelle, an der sich vor 50 Jahren die schöne Tanzfläche mir den Tischen und Stühlen befand, existierte auch eine Luke, die in den Keller führte. Diese Luke hatten die beiden Männer geöffnet, waren mit der besagten Leiter nach unten geklettert und brachten nun in Körben das noch vorhandene Geschirr der Gaststätte nach oben. Teller, Tassen, Milch-Kaffeekännchen und große Kaffeekannen stapelten sich an der Oberfläche.
Als Interessierter an der Benther Geschichte und auch Kenner der alten Lokalität fragte ich höflich, ob ich ein Milchkännchen mit der Aufschrift „Benther Berg Terrassen“ als Andenken bekommen könne. Dieses wurde mir gewährt. Meine Bitte nach einer großen Kaffeekanne mit derselben Aufschrift wurde jedoch abgelehnt. Im Zwiespalt zwischen Moral und dem Verlangen des Dorfhistorikers siegte letzterer und - schwupp - erlöste ich eine Kaffeekanne von ihrem ungewissen Schicksal und nahm sie mit auf meinen Spaziergang. Hierbei hatte ich aber nicht mit der Zähigkeit der beiden Herren gerechnet, die den Verlust des Porzellanproduktes offenbar bemerkt hatten und uns unter lautem Rufen verfolgten.
In der Hoffnung, das Prachtstück zu retten, deponierte ich die Kanne versteckt hinter einem Baum.
Aus der Ferne konnten wir die suchenden Männer beobachten und mussten dann leider feststellen, dass sie das Objekt meine Begierde leider gefunden hatten. Die Original-Kaffeekanne war für uns leider verloren.
Heute ist die Stelle mit der Luke hoch mit Waldboden bedeckt und von der Natur überwuchert. Und Kaffeekannen mit der Aufschrift „Benther Berg Terrassen“ sind auch nie wieder aufgetaucht. Nur das Milchkännchen mit der Aufschrift unserer bekannten Gaststätte ist erhalten geblieben.
15. Spurensuche heute:
Die Treppe heute, über die der Northener Kirchweg führte. Dieser ging quer über das Gelände der Gaststätte. Dahinter die Ruinenreste der Hausecke des Gastronomiegebäudes. Hier holten sich damals die Kinder immer ihr Eis.
Nun erinnern am Rande des Benther Berges nur noch ein paar Ruinenreste und verbogene Eisengeländer an eine Stätte ehemals ausgelassener Fröhlichkeit, rauschender Feste und schöner Stunden. Sicher, die Zeit geht weiter; - trotzdem kommt sicherlich bei der Lektüre einzelner Berichte und beim Anblick der alten Fotos etwas Wehmut auf.